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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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jedes Mal drei Karpfen gebracht ihm.«
    Wieder dachte ich, dass man sich auf einen Mann, der sich die ganze Zeit über alles lustig macht, nicht verlassen kann. Doch dann wurde er ernst und sagte, wir sollten über eine Durchsuchung von Benjis Zimmer nachdenken und über eine Methode, ihn aus dem Haus zu bekommen. Und ob jemand mit mir hingehen könne, ein Erwachsener, nicht Joli, damit er, also Hirsch, und sie sich neben dem Haus verstecken könnten.
    »Ein Erwachsener«, protestierte ich und fing an zu erklären, dass ich nicht vorhatte, Erwachsene hinzuzuziehen, weder Psychologinnen noch Schuldirektorinnen und Lehrerinnen und auch nicht Benjis Eltern. Da fragte er nach meinem großen Bruder. Ich sagte, mein Bruder sei bei der Marine und komme fast nie nach Hause. Sohar war bei der Flotte, er wäre sicher leicht mit dem Problem fertig geworden, aber sie hatten wichtigere Dinge zu tun. Da fragte Hirsch, wie ich es befürchtet hatte, was mein Vater mache und ob ich ein gutes Verhältnis zu ihm hätte.
    Wäre Joli nicht dabei gewesen, hätte ich vielleicht etwas gesagt. Nicht alles, nur einen Teil. Aber Jolis Blick, der so erwartungsvoll auf mir ruhte, machte mich stumm. Es dauerte lange, bis ich irgendetwas sagte. Ich sah, dass Hirsch mich konzentriert musterte, mit vielen Wolken im Blau, und wusste nicht, was ich machen sollte. Es tat mir schon Leid, dass ich überhaupt gekommen war, wenn das Ganze nur dazu führte, dass ich jetzt über meinen Vater sprechen sollte. Seit dem Unglück lade ich fast nie Freunde zu uns ein und nur wenige Kinder aus der Nachbarschaft wissen Bescheid. Bei uns in der Gegend würde nie jemand so mit mir sprechen, auch wenn jeder jeden kannte. Noch nicht mal Uri.

    Bis zu dem Unglück war mein Vater ein sehr angesehener Mann im Viertel gewesen, er wurde immer wieder zum Vorsitzenden des Bürgerausschusses gewählt. Und wenn jemand zur Stadtverwaltung gehen musste, weil es ein Problem gab, zum Beispiel Löcher in der Straße oder ein Altenclub, der geschlossen werden sollte, wurde jedes Mal mein Vater vorgeschickt. Und obwohl er älter war als die andern Väter, spürten wir es nie, weder ich noch meine Geschwister. Erst nach dem Unfall fiel uns auf, wie alt er war, als wäre er mit einem Schlag gealtert. Oder, wie es meine Mutter meiner großen Schwester gegenüber ausgedrückt hatte, als sie einen Monat vor meiner Bar-Mizwa mit ihr telefonierte: »Von einem Tag zum andern verlöscht er mehr.« Nicht dass jemand je mit mir über das Unglück spricht, das tut keiner, aber gerade ihr Schweigen beweist, wie schrecklich es ist. Sogar die Kinder aus der Nachbarschaft verstehen es und ärgern mich nicht mehr. Ich bin wie jemand, der einen Trauerfall hat, und vor lauter Hemmungen fragt ihn niemand danach.
    Hirsch wartete schweigend. Joli schaute mich an. Und ich wünschte mir, ich war woanders.
    »Fisch aus Gold«, sagte Hirsch nach einer Weile, »mehr spricht als du.« Aber seine Augen waren freundlich, als er das sagte. Plötzlich stand er auf und verließ das Zimmer, wir hörten ihn herumsuchen. Kurz darauf kam er mit einer Ledertasche zurück, machte sie auf und holte ein Fernrohr heraus, ein sehr großes, wie es von Militärposten verwendet wird. Hirsch richtete das Fernrohr auf das Fenster, drehte an der Linse und hielt es mir dann hin. Ich stand vor dem Fenster und ein Schauer lief mir über den Rücken. Nichts war mehr so wie vorher. Plötzlich gab es Blumen, die vorher nicht da gewesen waren. Ich sah nicht nur ihre Blüten, ich sah auch die Staubgefäße. Und die Biene, die über eine kleine blaue Blume flog. Sie sah riesig aus und ich sah genau das Schwarz, das Gelb und das Braun auf ihren Flügeln. So klar und deutlich sah ich sie, dass ich meinte, sie summen zu hören. Aber sie summte nicht. Sie saugte Nektar aus der Blüte.
    »It’s a professional instrument«, sagte Hirsch und Joli übersetzte: »Es ist ein professionelles Instrument.« Mit dem habe ihr Großvater früher gearbeitet, sagte sie. »So hat er seine Fälle gelöst. Damit und mit seinem Kopf.«
    Ich finde es immer schön, wenn etwas professionell genannt wird, egal, ob es um Basketball oder um Malen oder um Detektivarbeit geht. Vielleicht hat das dieser Dichter gemeint, der sagte, für das Leben gebe es keine Anfängerklassen. Als müsste jeder von Anfang an professionell sein, von der Sekunde seiner Geburt an, und dürfe nie Fehler machen.
    Hirsch packte das Fernrohr wieder ein, hielt mir das Etui hin und sagte auf

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