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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Schatten auf seine Augen, als würden sie von Fragezeichen verdunkelt, je weiter ich mit meiner Geschichte kam. Er presste die Augen ein bisschen zusammen, um sich besser zu konzentrieren, aber noch immer sah man das Blau, und ich merkte, dass er die ganze Zeit zuhörte. Ich fühlte mich wichtig.
    Als ich fertig war, sagte er erst mal gar nichts. Er stand nur auf, ging zum Kühlschrank und holte eine große Packung Schokoladen-Bananen-Erdbeereis, genau wie ich es mag, und drei Löffelchen. Nur Löffelchen, sonst nichts. Er schaute erst mich an, dann Joli und sagte: »He is a nice boy, your friend, I like him.« Ich verstand es, noch bevor Joli übersetzte, dass er mich nett fand und mich mochte. Auch ich mochte ihn. Ich dachte, jetzt würde er uns Ratschläge geben, aber plötzlich stand er noch mal auf und sagte zu Joli, wir sollten uns um das Geschirr kümmern, er würde inzwischen nachdenken.
    Wir machten es gemeinsam. Joli spülte, ich sollte abtrocknen. Die ganze Zeit überlegte ich, ob ich meinen Vater und meine Mutter schon einmal so gesehen hatte, aber es fiel mir nicht ein. Wir standen einige Minuten am Spülbecken und ich schaute Joli zu, wie sie die Teller einseifte und abwusch, wobei sie die Hand, wo früher der Gips drum gewesen war, nur ganz vorsichtig bewegte. Ich wartete darauf, dass ich was zum Abtrocknen bekam, und stand da, das Handtuch in der Hand wie ein Kellner, das heißt wie ein Kellner im Film.
    Da hörte ich plötzlich aus dem Zimmer hinter uns die Klänge einer Trompete, klare, aber ganz zarte Töne. »Mein Opa spielt«, sagte Joli. Vermutlich sah sie mir an, dass ich enttäuscht war, weil er Trompete spielte, statt nachzudenken. Joli sieht mir alles an. Das hatte ich schon gewusst. »So denkt er nach«, sagte sie. »Beim Spielen.«
    Es war das erste Mal, dass ich einen Erwachsenen Trompete spielen hörte, ich meine, im richtigen Leben, nicht im Fernsehen. Er spielte so schön, dass die Melodie direkt ins Herz drang und fast wehtat. Eine ganze Weile hörte ich ihm bewegungslos zu und vergaß die Teller abzutrocknen, die Joli mir hinhielt.
    »Schön, nicht wahr«, fragte sie und ihre Augen glänzten noch mehr als sonst. Ich nickte.
    »Die Musik ist aus einem Film von Charlie Chaplin«, sagte Joli. »›Limelight‹. Hast du ihn gesehen?«
    Ich wollte ihr nicht sagen, dass ich Filme mit Charlie Chaplin nicht mochte: Immer hat er Pech und ist am Schluss allein. Ich werde dann ganz traurig und alle andern Leute lachen.
    »Du solltest dir den Film unbedingt mal anschauen«, sagte Joli. »Er handelt von einem Mann, der einem blinden Mädchen hilft … Na ja, ich will dir nicht das Ende verraten, aber das ist die Musik, die Charlie Chaplin dazu gemacht hat.«
    Ich hatte gar nicht gewusst, dass er auch Musiker war, aber ich wollte nicht zeigen, wie wenig ich über ihn wuss-te. Ich trocknete die Teller sehr gründlich ab, dann schaute ich zu dem Zimmer hinüber, aus dem das Trompetenspiel kam. »Das kann noch eine Weile dauern«, sagte Joli. »Man darf ihn nicht stören, er konzentriert sich.«
    Nun, da ich seine Augen nicht sah, beschlichen mich wieder Zweifel. Eigentlich keine Zweifel, ich hatte schon entschieden, dass er viel zu seltsam war, um uns zu helfen. Es stimmte, die Traurigkeit der Melodie, die er spielte, war mir angenehm, fast wie die Lieder am Gedenktag für die Opfer der Schoa, aber sie tat mir fast weh und ich wollte, dass er aufhörte. Und überhaupt, was konnte er schon tun, um Benji zu helfen? Vielleicht Trompete spielen? Hirsch wiederholte die Melodie, fing nun aber an, sie zu verändern, und plötzlich war sie wieder interessant, ein bisschen wie bei meinen Bildern, wenn ich manchmal das Gesicht von jemandem ändere und Schatten oder Licht hinzufüge.
    Erst als wir alles gespült hatten – sogar den großen Topf von den Spagetti, die ein bisschen angebrannt waren –, schwieg die Trompete. Hinter der verschlossenen Tür wurden Möbelstücke gerückt. Und als auch dieses Geräusch aufhörte, rief uns Hirsch.
    Wir betraten das Zimmer ihres Großvaters. Hirsch sagte, er müsse uns erst mal die Grundlagen der detektivischen Verfolgungsarbeit beibringen. Wenn man den Menschen kennt, dem etwas passiert ist, müsse Detektivarbeit mit dem Sammeln der Fakten anfangen, aller Fakten, auch denen, die vor und nach dem Ereignis und in dessen weiterem Umkreis passiert sind. »Natürlich Benji hat Angst vor jemand«, sagte er. »It is obvious.« (Das heißt: Das ist klar.)
    Es sei auch klar,

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