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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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schon langsam daran, dass er alle möglichen Dinge wusste.
    »Wenn das so ist«, sagte Esther und verzog den Mund, als hätte sie von vornherein gewusst, dass es nicht so werden würde, wie es sich gehörte, »wenn das so ist, dann hab ich auch noch Farben. Was hast du da? Schwarz und Braun? Ich gebe dir noch Blau und Rot.« Sie bückte sich unter die Theke. Einen Moment war sie nicht zu sehen und als sie wieder auftauchte, legte sie drei Tuben auf den Tisch. Sie hatte auch Weiß. »Hier habe ich alles«, sagte sie stolz. »Was du willst, von Schuhzwirn bis zu Schnürsenkeln.«
    Niemand wusste, was ich malte, aber ich wusste, dass es Menschen von hinten waren, die auf hohen Stühlen vor einer Bar saßen. Ich fing mit einem schwarzen, einem braunen und einem weißen Kreis an, dann gab ich dem weißen Kreis schwarze Haare, so wie Jolis, und zeichnete die Umrisse der Espressomaschine. Ich wusste schon, dass ich das Glänzen des Edelstahls mit Weiß machen würde. Dann malte ich mit dem Kohlestift die Umrisse von Jolis Körper, der im letzten Jahr ein bisschen gitar-renförmig geworden war.
    Während ich arbeitete, erschien Uri. Er stellte sich neben Joli und ich sagte nichts. Wenn ein Passant stehen blieb und sich erkundigte, was da denn gerade geschehe, sagte Esther mit einem breiten Lächeln: »Hier verändert sich was. Und für diese Veränderung wird gemalt.« Sie lächelte so, dass keiner es wagte, weitere Fragen zu stellen. Wenn Kinder fragten, bekamen sie überhaupt keine Antwort, als wären sie Luft. So ist das.
    Als es dunkel wurde, hörte ich auf zu arbeiten.
    »Nun«, fragte Hirsch. »Schön?«
    »Weiß ich noch nicht«, antwortete Esther. »So etwas weiß man erst, wenn es fertig ist.«
    Hirsch zog sie zur Seite und sagte ihr etwas, was wir nicht hören konnten. Sie stritt sich kurz mit ihm – wir hörten es am Ton ihrer Stimme –, schließlich gab sie ihm ein Schlüsselbund. Dann ging sie langsam, das linke Bein nachziehend, in Richtung ihrer Wohnung. Inzwischen war es schon dunkel. Wer immer in der Nacht zuvor in den Kiosk eingebrochen war, der hatte auch die einzige Straßenlaterne im Umkreis zerbrochen. Es war dunkel.
    »Wer ist das«, fragte Hirsch und deutete auf Uri.
    »Das ist mein Freund Uri«, erklärte ich. »Wir machen immer alles zusammen.«
    Hirsch schaute mich von der Seite an, mit dem bekannten Blick, und sagte: »Schön, sehr gut. Auch Uri. Man braucht Leute hier.«
    Mein und Jolis Platz war hinter dem Kiosk, im Gebüsch. Uri war im Kiosk, unter der Theke. Endlich störte seine geringe Körpergröße mal nicht. Wo Hirsch stand, wusste ich nicht. Die Zeit verging sehr langsam. So ist es immer. Wenn man unbedingt will, dass jemand kommt, dann bleibt die Zeit stehen. Ich hatte schon das Gefühl, viele Stunden wären vergangen und bald würde die Sonne aufgehen. Am meisten ärgerte ich mich darüber, dass ich nicht mit Joli reden konnte, wir mussten uns vollkommen ruhig halten, um den, der kommen sollte, nicht in die Flucht zu jagen. Aber warum sollte er überhaupt kommen? War er denn verrückt? Eine Nacht nach der anderen? In den Zeitungen steht immer, dass ein Verbrecher an den Tatort zurückkommt, aber auf Zeitungen kann man sich nicht verlassen. Das hatte mein Vater immer gesagt, als er noch redete.
    Es war sehr seltsam, so dicht neben Joli im Gebüsch zu hocken, als würden wir uns verstecken, nicht um jemanden zu erwischen, sondern um selbst nicht erwischt zu werden. Von Zeit zu Zeit schaute ich sie an, aber es war so dunkel, dass ich noch nicht mal ihre Augen leuchten sah. Auch ihre Silhouette sah ich nicht, ich fühlte nur, dass sie neben mir war. Einmal kam eine Katze vorbei, einmal wurde eine zerrissene Zeitung vorbeigeweht. Und dann hörten wir Geräusche. Nicht von einem Auto, von Schritten. Jemand kam von hinten, aus dem Gebüsch, und Joli und ich kauerten uns noch tiefer, denn Hirsch hatte uns erklärt, dass man den Einbrecher auf frischer Tat ertappen müsse. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, auch seine Bewegungen nicht, denn mein Kopf steckte tief im Gebüsch. Ich hörte Jolis Atmen und hatte Angst, er könne es auch hören, aber er kam nicht in unsere Richtung. Eine dunkle, gebückte Gestalt bewegte sich durch die Dunkelheit. Jetzt hing es von Uri und Hirsch ab. Alles war dunkel. Ich hörte noch nicht mal Fernsehgeräusche aus den umliegenden Häusern, was tatsächlich selten vorkam. Ich sah einen Lichtschein an der Kiosktür. Der Typ hatte eine Taschenlampe und fummelte am

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