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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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aufhören, an das Durcheinander zu denken, in das ich mich selbst gebracht hatte, mit Basketball, meiner Mutter und Uri. Was wäre, wenn sie mir drauf kam? Wie sollte ich es erklären?
    Ich wollte Hirsch auch nach dem gelben Pulver fragen, aber ich tat es nicht. Er summte eine Melodie vor sich hin und ich verstand, dass er sich konzentrieren musste. Genau wie bei mir, dachte ich. Bevor ich mit Wasserfarben zu malen anfange, baue ich alles um mich herum auf, die Farben, die Pinsel, das Wasser. Und was zu essen, falls ich Hunger bekomme.
    Er stopfte noch alles Mögliche in den Rucksack, aber der war auch dann noch immer nicht voll. Er war wie eine Tonne, dieser Rucksack, er packte achttausend Sachen rein und das Ding war immer noch nicht voll. Ein kleiner Wassertopf kam hinein, Streichhölzer, Kerzen, ein großer Kompass und eine zweite Taschenlampe. Auf dem Tisch lagen noch zwei Paar dünne, weiße Gummihandschuhe, wie Zahnärzte sie benutzen, die Tüte mit dem gelben Pulver, ein Fotoapparat, Schachteln aus Kartons und Dosen mit allen möglichen Sachen wie Nägeln, eine Tube Klebstoff, ein großer Bund Schlüssel, Feilen, Schraubenzieher und ein wunderbares Schweizermesser mit vielen Teilen.
    Endlich war alles gepackt, alle Riemen geschlossen. Hirsch ging noch einmal in das andere Zimmer und als er zurückkam, drückte er mir einen gelben Block und einen Stift in die Hand. Ich solle Protokoll führen und alles aufschreiben, was wir täten oder sähen.
    »Man muss aufschreiben«, sagte er. »Wenn man danach liest, kommt man zu frische Erkenntnis. Wenn mittendrin, keine Perspektive, verstehst du?«
    Ich nickte.
    Er fuhr durch eine schmale Seitenstraße. Es war der Weg, den ich manchmal zu Fuß ging, weil dort fast nie Autos fahren. Diesen Hügelweg kennen nur sehr wenige und wer ihn kennt, fährt ihn bestimmt nicht gern mit dem Auto, wegen der großen Schlaglöcher und weil er sehr kurvig ist. Auf dem letzten Teil des Wegs beleuchteten die Straßenlampen auch die Bankette, aber auch ohne ihr Licht konnte ich alles durch das Fernrohr erkennen. Es war ein Spezialfernrohr: Wenn man auf einen Knopf drückte, konnte man auch nachts sehen, nur beim Licht der Sterne. Ich sah das grüne Gras und die Cyclamen, die am Straßenrand wuchsen. Wenn ich Landschaften malen könnte, dachte ich, was ich noch nie versucht hatte, würde ich Blumen wie sie malen wollen, die unterwegs aus den Felsen wuchsen, denn durch das Fernglas sahen sie nicht so bescheiden und unscheinbar aus wie am Tag.
    Auf der Straße mit den vielen Kurven quietschte der Käfer noch mehr. Es war beängstigend und ich war froh, als wir an der Endstation der Linie 17 ankamen. Ich deutete hinauf auf den Hügel und Hirsch kniff die Augen zusammen, betrachtete lange das Haus und sagte dann, ich solle durch das Fernrohr schauen.
    Alle Rollläden waren heruntergelassen, auch der von Benjis Zimmer. Ich gab Hirsch das Fernrohr und erklärte ihm, welches Fenster zu Benjis Zimmer gehörte. Wegen der hohen Steinmauer konnte man nicht in den Garten sehen. »Es muss geben Straße zum Haus«, sagte Hirsch. »Oder wenigstens bis sehr nah.« Er wolle außen herum fahren, sagte er, damit wir uns die Gegend erst einmal anschauen könnten.
    Wieder stiegen wir ins Auto. Hirsch versuchte es von rechts, dann versuchte er es von links, aber wie beim Labyrinthspiel kamen wir jedes Mal wieder an der Kreuzung vor der Quelle heraus. »Here we are again«, sagte Hirsch, und das hieß: Da sind wir wieder.
    Bei einer unserer Runden trafen wir auf die schmale Straße, von der aus die Treppe zum Kloster führt. Hirsch sagte, die heiße »Besuchertreppe«, weil die Jungfrau Maria, die Mutter von Jesus, jemanden besucht habe. Wen, das hatte er vergessen. »Mein Kopf«, sagte er und klopfte sich an die Stirn, »nicht mehr ist, was er war.« Er klopfte noch einmal, aber das sah nicht besonders lustig aus. »Mein Vater weiß das bestimmt«, sagte ich plötzlich, vielleicht weil er einen seltsamen Blick in den Augen hatte. »Mein Vater kennt Ein-Kerem wie seine Hosentasche. Er könnte uns alles über das Kloster und den Eingang erzählen.« Kaum hatte ich es ausgesprochen, tat es mir schon wieder Leid. Denn Hirsch betrachtete mich durch das Fernglas und wieder hatte ich das Gefühl, er sehe noch etwas, was ich nicht wusste. Er konnte mir alles ansehen, genauso wie Joli, und sogar Uri starrte mich an.
    Hirsch seufzte und sagte, es wäre wirklich schade, dass wir meinen Vater nicht mitgenommen hätten. Aber

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