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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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erklärt: »Ausgerechnet dann, wenn es schon zu spät ist, fällt dir die absolut glänzende Antwort ein. Aber was kannst du tun, wenn du dann schon draußen bist, im Treppenhaus? Du kannst doch nicht wieder zurück in die Wohnung gehen und etwas anderes sagen, da machst du dich doch bloß lächerlich.«
    Ich habe sehr viel Treppenhaus-Klugheit. Sehr oft fällt mir hinterher erst eine gute Antwort ein, die viel besser gepasst hätte. So fühlte ich mich auch nach den Telefongesprächen mit meiner Mutter und mit Jo’el. Vor allem, weil ich zu meiner Mutter ohne nachzudenken gesagt hatte, dass ich zum Basketballtraining ginge und bei Uri übernachten würde.
    Ich hatte es gesagt, ohne dass meine Stimme zitterte, und nachdem ich all ihre Fragen beantwortet und den Hörer aufgelegt hatte, fiel mir ein, ich hätte lieber sagen sollen, dass ich mit Joli und ihrem Großvater ins Kino gehen wolle oder so was. Was würde passieren, wenn plötzlich Jo’el bei mir zu Hause anrief und mich suchte? Dann hätte sie mich wieder erwischt und diesmal bei einer wirklichen Lüge. Aber die Idee, eine Geschichte mit Joli und ihrem Großvater zu erfinden, war auch nicht so toll, denn dann hätte es ausgesehen, als wäre Hirsch an der Lüge beteiligt. Wozu sollte ich ihn in die Sache hineinziehen? Das würde ihm bestimmt nicht gefallen. Erwachsene, sogar wenn sie anders sind – etwas Besonderes, so wie Hirsch –, sind immer mit anderen Erwachsenen solidarisch, besonders wenn es darum geht, dass sie sich Sorgen wegen uns Kindern machen. Kein Elternteil, das ich je kennen gelernt habe, wäre bereit, die Eltern eines anderen Kindes anzulügen, um es zu decken.
    Ich habe gar nichts dagegen, Eltern oder Lehrer zu täuschen, das ist nicht dasselbe wie lügen. Jeder versteht, dass das was anderes ist. Aber ich hatte keine Zeit zum Planen, und wenn man gleich am Anfang einen Fehler macht, wird man ihn nicht mehr los. Man muss ihn korrigieren, aber das gelingt einem nie ganz, dann muss man den Rest korrigieren und so weiter und die Sache findet kein Ende. Deshalb musste ich also noch einmal bei Jo’el anrufen. Aber wieder hatte ich nicht lange nachgedacht, als ich ihm sagte, ich hätte mir den Fuß verknackst und könne heute nicht zum normalen Training kommen. »Aber bestimmt morgen wieder«, sagte ich und das war der Fehler. Ich hatte nicht geahnt, dass er erschrecken und mir raten würde, den Fuß hochzulegen und Kompressen zu machen. Und auf keinen Fall zu trainieren. Sogar um einen Spieler der U.B.I. würde man sich nicht so sorgen. Er erschrak so sehr, dass ich Angst bekam, er könnte später zu Hause anrufen und sich erkundigen, wie es mir gehe. Ich konnte nur hoffen, dass er sich bis morgen zurückhalten würde, und dann wär ja ich wieder am Telefon.
    Jetzt musste ich auch bei Uri anrufen und ihm Bescheid sagen. Wenn meine Mutter anrief, musste er ja sagen, ich wär bei ihm. Uri ist im Allgemeinen in Ordnung und fragt nicht lange, aber ausgerechnet diesmal wollte er wissen, warum. »Ich erzähl es dir später«, sagte ich, aber er blieb stur. »Was, ich soll jedes Mal für dich lügen und du sagst mir noch nicht mal, was los ist«, sagte er. »Ich dachte, ich wär dein Freund.«
    Da erzählte ich ihm schnell von Hirsch, der mit mir und Joli zum Observieren gehen wolle.
    »Ich komm auch«, sagte Uri. Ich hörte einen gewissen Unterton in seiner Stimme, als hätte er gesagt: Entweder darf ich mitmachen oder ich deck dich nicht. Und damit basta. Und auch: Entweder sind wir Freunde oder nicht. Ich sagte ihm, er solle in einer Stunde am Kiosk auf uns warten.
    Wir fuhren also zu mir nach Hause. Hirsch war bereit, im Käfer zu warten, bis ich meine Farben und Arbeitskleidung geholt hätte. »Was für Farben«, fragte ich. »Die einzigen, die ich hatte, sind mir doch geklaut worden.«
    »You are professional«, sagte er. »You can solve it.« Das bedeutete, dass ich ein Profi sei und mir schon etwas einfiele.
    Leicht gesagt, aber sogar Profis lässt man ein bisschen Zeit. Wie kann man jemandem eine Sache so erklären, dass er sie genauso gut versteht wie man selbst? Das heißt richtig versteht, nicht nur so ungefähr? Es ist unmöglich. Warum sollte ich es also versuchen, das führt doch zu nichts. Unterwegs hatte mir Hirsch erklärt, es wäre eine hervorragende Tarnung für die Bewachung, wenn ich die Wand bemalte. »Zwei Fliegen mit einer Klappe. Machen aus einem kleinen Kiosk ein Café und auch beobachten«, hatte er gesagt und ich hatte

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