Die Schwarze Schwesternschaft
Im Thendara-Gildenhaus war Marisela fast vom ersten Tag an ihre Freundin gewesen, in gemeinsamer Arbeit hatten sie die Brücken-Gesellschaft gegründet. Sie fasste es noch immer nicht, dass dies unschuldige Leben so plötzlich ausgelöscht worden war.
Warum, warum?
Sie sagte, sie seien böse. Sie hatte Recht. Ich erinnere mich nicht, dass Marisela je einem Menschen Schaden zugefügt oder auch nur ein unfreundliches Wort gesprochen hat, jedenfalls nicht vor meinen Ohren.
Und vielleicht haben sie auch Cholayna umgebracht. Sie kroch näher zu Vanessa hin. »Bist du verletzt, Breda?« Bisher hatte sie Vanessa noch nie mit diesem einfachen, schwesterlichen Wort angeredet.
»Ich… weiß nicht recht. Bestimmt nicht schlimm, aber ich habe eine Beule am Kopf. Der Schlag muss gerade hart genug gewesen sein, um mir das Bewusstsein zu rauben. So viel ich feststellen kann, sind meine Reflexe in Ordnung. Alles funktioniert, wenn ich damit wackele.«
Magdas Augen brannten. Das war ganz Vanessa! »Sind noch andere hier?«
»Wenn ja, sehe ich sie nicht. Sie könnten… « Wieder schwankte Vanessas Stimme, und Magda hörte sie weinen. »Sie könnten alle tot sein, außer uns. Wenn sie Marisela umgebracht haben… «
Magda nahm sie im Dunkeln in die Arme. »Nicht weinen, Breda. Es ist schrecklich, sie sind schrecklich, aber mit Weinen können wir den anderen nicht helfen. Sorgen wir lieber dafür, dass sie keine Gelegenheit zu weiteren Morden bekommen. Hast du dein Messer noch?«
Vanessa gelang es, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Sie kann um Marisela weinen, dachte Magda. Ich kann es nicht. Und doch habe ich sie geliebt. Ihr war klar, dass sie den Verlust noch nicht richtig begriffen hatte. Und sie musste damit rechnen, dass auch Jaelle und Camilla tot waren. Um so wichtiger war es, dass sie sich um Vanessa und, falls sie noch lebte, um Cholayna kümmerte. Leise wiederholte sie: »Hast du dein Messer noch? Meins haben sie mir abgenommen.«
»Sie haben das Messer, das ich am Gürtel trug. Ich habe ein kleines in meiner Manteltasche, und so viel ich weiß, haben sie das nicht gefunden. Bisher nicht.«
»Sieh nach«, drängte Magda im Flüsterton. »Ich will mich überzeugen, ob Cholayna atmet.«
Vanessa begann benommen, ihre Taschen zu durchsuchen, während Magda zu dem regungslosen Bündel hinkroch, das Cholayna Ares war.
»Cholayna!« Vorsichtig berührte sie die Hand der Frau. Sie war eiskalt. Die Kälte einer Leiche? Jetzt erst merkte Magda, dass es in der Höhle sehr kalt war - wenn auch längst nicht so kalt wie draußen im Wind - und ihre eigenen Hände schon erstarrten. Sie tastete umher, öffnete Cholaynas Mantel, schob ihre Hand hinein und fühlte Wärme, lebendige Wärme. Sie beugte den Kopf und hörte ganz schwache Atemgeräusche.
Vielleicht schlief Cholayna, vielleicht war sie bewusstlos, doch sie lebte. Leise teilte sie es Vanessa mit.
»Oh, Gott sei Dank«, hauchte Vanessa, und Magda fürchtete, sie werde wieder zu weinen anfangen.
Hastig sagte sie: »Wir können gar nichts tun, bis wir wissen, in welcher Verfassung sie sich befindet. Ich will versuchen, sie zu wecken.«
Da Cholayna möglicherweise eine Kopfverletzung hatte, durfte sie sie nicht schütteln. Sie murmelte wiederholt ihren Namen, streichelte ihr Gesicht, wärmte die eisigen Hände zwischen den ihren, und schließlich holte Cholayna Atem. Sie öffnete die Augen und starrte Magda an, ohne sie zu erkennen.
»Lasst mich los… ! Ihr mörderischen Teufel… « Offensichtlich wollte Cholayna mit voller Lungenkraft schreien, doch es kam nicht mehr als ein Mitleid erregendes Flüstern heraus. Und wenn es ihr gelänge zu schreien, würde sie ihre Wächter alarmieren, die nicht weit weg sein konnten. Magda nahm Cholayna trotz ihrer Gegenwehr fest in die Arme und sprach leise und eindringlich zu ihr: »Ist ja gut, Cholayna. Sei ruhig, sei ruhig, ich bin bei dir. Vanessa ist auch da, wir passen auf, dass dir niemand etwas tut.« Das wiederholte sie, bis Cholayna endlich aufhörte zu zappeln und ihr Blick verriet, dass sie Magda erkannte.
»Magda?« Sie blinzelte, führte die Hand an den Kopf. »Was ist geschehen? Wo sind wir?«
»In irgendeiner Höhle, und ich glaube, Acquilara und ihre Leute haben uns gefangen.«
Vanessa kroch zu ihnen. »Ich habe mein Messerchen. Bist du in Ordnung, Cholayna?«
»Ich bestehe immer noch aus einem Stück«,
Weitere Kostenlose Bücher