Die Schwarze Schwesternschaft
gebracht worden bin, Andrew ein Kind zu gebären. Der Himmel weiß, dass er das stärkste Laran von allen Terranern besitzt, die ich je kennen gelernt habe. Offenbar erlauben sie den freien Willen. Sie überließen mich meinem Geschick. Und ich habe gehört, dass die Syrtis eine alte Unterabteilung der Hasturs sind. Also ist Shaya ebenso mit Camilla durch das Blut wie mit Jaelle durch das Gesetz des Freipartnerinnen-Eides verwandt.
Das war tröstlich. Sollte mir etwas zustoßen, hat Shaya Verwandte, die für sie sorgen werden. Sie und Cleindori sind tatsächlich Schwestern.
Jaelle sagte: »Jetzt nehme ich das Chervine eine Weile, Breda.« Magda übergab ihr den Zügel und schloss sich Marisela an. Der Weg wand sich in langen Serpentinen einen Fels hinauf, von dem manchmal lose Steine hinunterpolterten. Aber an dieser Stelle war er durch einen Überhang geschützt, und Rakhaila schritt unbekümmert aus, als könne sie jeden Fußbreit Boden sehen.
»Möchtest du auf der Innenseite gehen?«, fragte Marisela. »Wie ich mich erinnere, macht dir der Blick nach unten zu schaffen.«
»Ein bisschen«, gab Magda zu und nahm das Angebot an. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Schließlich fragte Magda:
»Marisela, diese - ich will sie nicht nennen, du weißt, wen ich meine… « In ihren Gedanken war das Bild Acquilaras, umgeben von dem merkwürdigen blauen Glühen ihres Alptraums. »Darf ich nur eine Frage stellen? Warum entschließt sich irgendjemand - diesen Weg zu gehen? Sind es vielleicht solche, die versucht haben, die echte Schwesternschaft zu erreichen, und versagten? Und das andere war leichter?«
»O nein, meine Liebe. Man braucht viel, viel mehr Kraft, um Böses als um Gutes zu tun, weißt du.«
»Warum ist das so? Ich habe gehört, das Böse sei nichts als Schwäche, man nehme den Weg des geringsten Widerstandes… «
»Ach du meine Güte, nein. So jemand ist nur schwach, ängstlich, selbstsüchtig… mit einem Wort, menschlich, unvollkommen. Wenn Schwäche ein Verbrechen wäre, ständen wir alle vor dem Richter. Schwäche ist entschuldbar. Manchmal schrecklich, aber entschuldbar. Du musst es dir so vorstellen: Menschen, die gut sind oder versuchen, nach besten Kräften Gutes zu tun, arbeiten mit der Natur. Um Böses heraufzubeschwören, muss man gegen die Natur arbeiten, und das ist viel, viel schwerer. Es gibt Widerstände, und man muss sich gegen den ganzen Fluss der Natur stemmen.«
Es war für Magda ein neuer Gedanke, dass das Gute einfach den Plan der Natur erfülle und das Böse etwas sei, das gegen sie wirkte. Sie verstand es nicht ganz, denn Marisela war Hebamme und Krankenschwester, und man konnte dies letzten Endes als ein Verbot auslegen, Leben zu retten, was doch gerade die Aufgabe war, der Marisela sich widmete. Magda nahm sich vor, ein anderes Mal mit ihrer Freundin darüber zu sprechen. Doch sie sollte die Gelegenheit nie bekommen.
Es ging jetzt abwärts in ein Tal unterhalb der Baumgrenze. Bevor sie die Bäume erreichten, zeigte Marisela nach oben und rief Rakhaila leise zu, sie möge einen Augenblick anhalten. Jenseits des Tales schimmerte eine lange Reihe von steilen Eisklippen im Licht der roten Sonne.
»Der Wall um die Welt«, sagte sie.
Überwältigt drängten sie sich zusammen, schauten. Vanessa holte ehrfürchtig Atem. Aber sie fand keine anderen Worte als: »Die Berge sehen größer aus als von einem V-und-E-Flugzeug.«
Das war eine Untertreibung. Sie schienen sich in alle Ewigkeit fortzusetzen, viel weiter, als der Blick reichte. Magda dachte: Gott, wir werden sie doch nicht überqueren müssen, und das zu Fuß?
Rakhaila winkte ungeduldig und ging mit schwingenden Schritten weiter. Bald war sie unter den Bäumen außer Sicht geraten. Camilla und Jaelle folgten ihr. Cholayna ließ sich zu Magda und Vanessa zurückfallen.
»Ich bin froh, dass es wieder abwärts geht«, bemerkte sie.
»Müde?«
»Nicht so sehr, wie ich befürchtet hatte.« Cholayna lächelte ihnen zu. »In gewisser Weise bin ich noch nie so glücklich darüber gewesen, dass ich mitgekommen bin. Wenn ich nur aufhören könnte, mir Sorgen um Lexie zu machen.«
»Das muss es sein, was sie gesehen hat«, sagte Vanessa. »Es ist alle Anstrengungen wert, das nur zu sehen. Und wir werden diese Berge besteigen.«
»Und noch dazu im Dienst«, bemerkte Cholayna trocken. »Wer hat darüber gemeckert, dass
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