Die Schwarze Schwesternschaft
bitteren Tee, zu müde, um auf dem Regal nach Honig zu suchen. Sie rührte Fleisch und Brot nicht an, saß bewegungslos auf der Bank vor dem Tisch. Camilla machte sich selbst auch Tee, doch statt ihn zu trinken, stellte sie sich hinter Magda. Ihre starken Hände kneteten die verspannten Muskeln in Schultern und Nacken der jüngeren. Nach langer Zeit streckte Magda die Hand nach einem Stück Butterbrot aus.
»Ich habe eigentlich keinen Hunger, aber ich glaube, ich sollte doch etwas essen«, meinte sie matt und führte es zum Mund.
Wie Camilla erwartet hatte, überfiel sie nach einem oder zwei Bissen der rasende Hunger eines Menschen, der mit Laran gearbeitet hat, und sie aß und trank beinahe mechanisch. Als sie Brot und Fleisch verspeist hatte, stand sie auf und suchte in der Speisekammer nach noch verbliebenem Kuchen mit Gewürzen und Zucker.
Endlich war ihr Hunger gestillt. Sie drehte die Bank um, damit sie die Füße auf das Kamingitter stellen konnte. Camilla setzte sich zu ihr und legte ihre eigenen Füße - lang und schmal und irgendwie aristokratisch - neben die Magdas. Schweigend saßen sie zusammen und blickten in die Glut. Nach einer Weile stand Magda auf und legte Holz aufs Feuer. Die Flammen loderten auf, und flackernde Schatten spielten über die Wände der höhlenartigen Küche.
Endlich sagte sie: »Ich bin keine richtige Psi-Technikerin, nicht in der Art, wie man sie sich in der Terranischen Zone vorstellt. Ich bin keine Therapeutin. Die Arbeit, die ich auf Armida tue, ist - ist anders. Heute Nacht musste ich in den Verstand eines anderen eindringen, eines Menschen, der normalerweise kopfblind ist, und versuchen… « Sie benetzte die Lippen mit der Zunge. »Es ist nicht leicht zu erklären. Es gibt keine Worte dafür.«
Zögernd sah sie zu Camilla hinüber. Sie kannte diese Frau seit Jahren und wusste längst, dass Camilla Laran besaß oder einmal besessen hatte, obwohl Camilla selbst es leugnete. Magda war eine der wenigen Personen, die Camillas ganze Geschichte kannten: Sie war aus Comyn-Blut geboren, obwohl davon heute keine Spur mehr sichtbar war, abgesehen von dem verblassten, sandfarbenen Haar, das einmal das gleiche Feuerrot gezeigt hatte wie Jaelles. Kaum dem Kindesalter entwachsen, war Camilla geraubt und so brutal missbraucht worden, dass sie seelisch daran zerbrach. Magda wusste nicht über alle Einzelheiten Bescheid, aber Camilla hatte viele Jahre lang als Söldnerin gelebt, und auch ihre engsten Gefährten hatten nicht geahnt, dass sie nicht der harte Mann mit der rauen Sprache war, der sie zu sein schien. Eines Tages hatte Camilla, verwundet und dem Tode nahe, sich einer Entsagenden entdeckt. Das war Kindra, Jaelles Pflegemutter, gewesen. In der Gilde der Freien Amazonen lernte Camilla es unter Schmerzen und vielen Zweifeln an sich selbst, zu der Weiblichkeit zurückzufinden, die sie so lange und mit so viel Mühe zu verleugnen oder zu verbergen gesucht hatte.
Ein- oder zweimal, als sie ihre mentalen Barrieren voreinander gesenkt hatten, war Magda sicher gewesen, dass Camilla immer noch über das von ihrer Familie geerbte Laran verfügte, welche Familie das auch sein mochte. Ganz bestimmt floss in Camillas Adern das Blut einer der Sieben Domänen, der großen Familien Darkovers, auch wenn sie von ihrem Laran keinen Gebrauch machte.
Es war nicht unmöglich, dass Camilla erkannte, ohne dass sie es ihr erzählte, wie schwierig die ihr von den Terranern abverlangte Arbeit gewesen war.
»Erinnerst du dich, dass du Lexie Anders bei dem speziellen Orientierungstreffen kennen gelernt hast, das für die neuen Mitarbeiterinnen in der Terranischen Zone abgehalten wurde?«
»Ja. Sie wies den Gedanken verächtlich von sich, die Penta Cori’yo habe terranischen Frauen irgendetwas zu bieten. Auch als die anderen Frauen der Brücken-Gesellschaft ihr vor Augen führten, schließlich könnten terranische Frauen schlecht in Raumhafen-Bars Erholung finden und durch die Brücke gewinne sie Freundinnen und Verbündete und einen Zufluchtsort, wenn sie es nicht mehr ertrage, im HQ eingesperrt zu sein… «
»Und wenn Lexie es nicht weiß, ich weiß es, dass das einer der Gründe ist, warum weibliche Angestellte sich auf Darkover nie wohl fühlen, falls sie nicht hier aufgewachsen sind und die Sprache und das Benehmen beherrschen, das man hier von Frauen erwartet«, fiel Magda ein. »Ich habe nicht vergessen, wie unhöflich und überheblich Lexie bei
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