Die schwarze Witwe: Thriller (German Edition)
mit«, meldete sich plötzlich Vanessa zu Wort. »Ich muss Kendel unbedingt etwas sagen.« Sie wandte sich Diane zu und ließ fast so etwas wie ein Lächeln erkennen. »Ich hätte gedacht, dass diese Sitzung für Sie sehr schwierig sein würde, aber ich habe jetzt den Eindruck, dass das gar nicht so war.«
Diane lächelte zurück. »Das ist alles Teil meiner Arbeit.«
Die Vorstandsmitglieder verließen nach und nach den Raum. Diane machte sich auf den Weg zurück in ihr Büro. Vanessa ging mit Madge vor ihr her. Diane hatte das Gefühl, dass Madge sich gerne bei der ersten Gelegenheit davongestohlen hätte.
»Weißt du«, sagte Laura, als Vanessa und Madge außer Hörweite waren, »es ist unsere Schuld. Wir nehmen Madge eben überhaupt nicht ernst. Da ist es kein Wunder, dass sie sich dem ersten Besten anvertraut, der sich angeblich für ihre Meinung interessiert.«
»Sie ist ein erwachsener Mensch«, entgegnete Diane. »Und sie ist nicht dumm. Ich glaube, keiner ihre Freunde oder Verwandten hat sie jemals für irgendetwas verantwortlich gemacht.«
Laura schaute Diane an. »Das ist aber ein ziemlich hartes Urteil. Sie mag ein behütetes Leben geführt haben, aber –«
»Heute hast du in mir keine mitfühlende Zuhörerin«, unterbrach sie Diane. »Vielleicht ein andermal wieder. Ich weiß, dass Madge Stewart kein übler Mensch ist, aber ich habe gerade mit Kendel gesprochen, bevor ich hierhergekommen bin. Sie hat hart gearbeitet, um sich einen wissenschaftlichen Ruf aufzubauen, und wenn dann eine Universität wie die von Pennsylvania ihr Angebot, dort Vorträge zu halten, zurückzieht, ist das ein harter Schlag. Außerdem weiß ich, was es heißt, ständig hasserfüllte Schreiben und Schmähanrufe zu bekommen.«
»Natürlich hast du recht«, sagte Laura. »Ich weiß, dass Vanessa Kendel mag und alles für sie tun wird, was in ihrer Macht steht. Aber du solltest das Ganze auch einmal von unserer Seite aus betrachten. Wir wissen nicht, ob Kendel nicht doch ganz leicht die Regeln gedehnt hat, um ein paar richtig schöne Ausstellungsstücke zu bekommen. Du solltest dies zumindest in Betracht ziehen. Ich sage ja nicht, dass sie mit gestohlenen Artefakten gehandelt hat, um Geld zu verdienen, ich sage nur, dass auch die Museen miteinander konkurrieren und Kuratoren und stellvertretende Direktoren deshalb vielleicht manchmal ein ganz klein wenig zu weit gehen.«
Sie kamen an den Aufzügen an. Die anderen waren schon hinuntergefahren. Sie und Laura waren jetzt allein. Diane wollte gerade den Aufzugsknopf drücken, tat es dann aber doch nicht. Sie schaute Laura eine ganze Zeitlang an. Anscheinend hatte die Sache mit Richard III. überhaupt keinen Eindruck auf sie gemacht.
»Ich befasse mich nur mit Tatsachen«, sagte Diane. »Und im Augenblick habe ich keine. Anonyme Anschuldigungen, dass es ein ernsthaftes Fehlverhalten gegeben haben soll, verdienen eine genaue Untersuchung, begründen aber allein kein Schuldurteil.«
»Ich weiß, und du hast ja recht.« Laura gestikulierte mit ihren Händen, als ob sie etwas aufzuhalten versuchte. »Ich frage mich nur, ob du darauf gefasst bist, dass doch etwas nicht stimmen könnte. Ich weiß, du magst Kendel. Alle von uns, die sie kennen, mögen sie. Aber sie ist auch bekannt dafür, eine abgebrühte Verhandlungspartnerin zu sein, wenn es um den Erwerb von wichtigen Ausstellungsstücken geht.«
Diane trat einen Schritt von den Aufzügen zurück und atmete einmal tief durch. »Ich versuche schon die ganze Zeit, dir klarzumachen, dass es keine Rolle spielt, was ich fühle oder wen ich mag. Das hier ist ein rein empirisches Problem und muss deshalb mit empirischen Mitteln gelöst werden. In der Zwischenzeit gilt Kendel als unschuldig. Wenn sich ihre Schuld doch herausstellen sollte, dann nicht auf Grund von Gerüchten oder Anschuldigungen, sondern von konkreten Beweisen.«
Laura nickte. »Okay. Ich wollte nur ein paar Dinge ansprechen. Ich habe den Bericht nicht gesehen, aber Vanessa war wirklich bestürzt, als sie die Mittagsnachrichten im Fernsehen sah. Anfänglich hätten sie zwar nur den Zeitungsartikel wiedergekäut, aber am Ende hätten sie dann behauptet, das RiverTrail-Museum würde den Vorwürfen überhaupt nicht nachgehen. Außerdem habe die Reporterin dich nicht finden können, als sie mit dir sprechen wollte. Du kannst dir vorstellen, wie das klang.«
Diane lachte. »Als ob ich mit der Beute aus der Stadt getürmt sei? Ich bitte dich! Ich dachte, es sei allgemein
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