Die schwarze Witwe: Thriller (German Edition)
Officer Ellison.
Diane hatte gar nicht mitbekommen, dass sie versucht hatte, aufzustehen. »Es tut mir leid. Mir ist schlecht. Es ist der Geruch.«
»Die Sanitäter sind bestimmt bald da. Am besten legen Sie den Kopf auf die Arme«, sagte er, während er ihr zunickte und selbst den Kopf auf seine erhobenen verschränkten Arme legte, als ob sie ihn nicht verstehen könnte.
Sie legte die Unterarme auf die Knie, beugte den Kopf, schloss die Augen und versuchte, ganz regelmäßig zu atmen.
Plötzlich wurde es lauter. Diane begriff, dass weitere Leute eingetroffen waren. Sie dachte an ihre Nachbarn. Die waren es inzwischen bereits gewohnt, dass in ihrer Wohnung oder in der Nähe ihres Hauses Gewalttaten begangen wurden. Sie war sich sicher, dass die Mieter auf der anderen Seite des Hausflurs bereits ihre Tür einen Spaltbreit geöffnet hatten, um nachzuschauen, was hier eigentlich vor sich ging. Hoffentlich hatten sie auch etwas gehört, das zur Aufhellung dieser Geschehnisse beitragen konnte.
Zwei Sanitäter traten an sie heran, um ihren Blutdruck zu messen. Gleichzeitig versuchten sie, durch ihre Fragen festzustellen, ob sie ganz bei sich war.
»Ihr Puls ist sehr niedrig«, bemerkte die Sanitäterin.
»Ich jogge«, sagte Diane. »Mein normaler Puls beträgt fünfzig Schläge in der Minute, oft sogar noch weniger.«
»Dann gibt es da ja keine Probleme. Tut Ihr Kopf weh?«
»Ja«, antwortete Diane.
Sie stellten ihr weitere Fragen, die Diane alle beantwortete. Sie hörte, wie Garnett, der Chef der Rosewooder Kriminalpolizei, zusammen mit ihrem eigenen Tatortteam eintraf.
»Oh mein Gott«, rief Neva. Sie, Jin und David standen fassungslos da und schauten abwechselnd Diane und die Blutlachen an. »Was ist passiert?«
»Deshalb seid ihr ja da«, sagte Diane.
»Was meinst du damit?«, fragte David.
»Ich will damit nur sagen, dass ich es auch nicht weiß«, sagte Diane in einem betont gleichmütigen Ton. »David, du hast überhaupt keine Bereitschaft. Du solltest eigentlich im Urlaub sein.«
»Ich mache Urlaub. Dies hier ist eine der Sehenswürdigkeiten«, sagte er. »Soll ich daheimbleiben, wenn Jin und Neva zu einem Tatort gerufen werden, der zufällig auch noch deine Wohnung ist?«
»Sind Sie in Ordnung?«, fragte Neva.
»Ja«, sagte Diane.
»Sie haben eine große Beule am Kopf«, mischte sich Chief Garnett ein. »Man hat Sie wohl angegriffen.« Garnett sah wie üblich aus, als ob er direkt aus dem Theater oder einem Konzert käme. Gut angezogen, groß, Mitte vierzig, wirkte er ausgesprochen elegant, wozu vor allem sein volles graumeliertes Haar beitrug.
Diane wollte ihm gerade erklären, dass sie in der Blutlache ausgerutscht und gefallen sei, als ihre Stimme von einem der Polizisten übertönt wurde, der jemandem laut und deutlich erklärte, dass er auf keinen Fall eintreten dürfe.
»Was geht hier vor?«, hörte man eine Frauenstimme. »Ist hier etwas passiert? Wenn es immer noch eine Gefahr gibt, muss man uns informieren.«
Es war Veda Odell, ihre exzentrische, ältere Nachbarin, die auf der anderen Seite der Etage mit ihrem Mann wohnte. Ihr gemeinsames Hobby war der Besuch von Beerdigungen.
»Kehren Sie bitte wieder in Ihre Wohnung zurück«, sagte Officer Ellison.
»Ich rede mit ihr«, sagte Garnett.
Er wollte zeigen, dass er hier die Leitung hatte, dachte Diane, und sicherstellen, dass alle Informationen bei ihm zusammenliefen.
»Lassen Sie David das machen«, sagte Diane. Garnett nickte. Wahrscheinlich erinnerte er sich daran, dass David eine ganz besondere Beziehung zu diesen Odells hatte, seitdem er ihnen bei einem früheren Fall einen längeren Besuch abgestattet hatte.
David warf ihr einen Du-schuldest-mir-jetzt-was-Blick zu, bevor er sich Veda Odell zuwandte.
»Ja. Ich erinnere mich noch gut an Sie«, sagte Veda. »Ihr Vorname ist David, nicht wahr? Wir haben ein paar neue Fotos in unserer Sammlung, die Ihnen ganz bestimmt gefallen werden.«
»Da bin ich mir ganz sicher, Mrs. Odell. Darf ich Ihnen und Ihrem Mann einige Fragen stellen? Ich weiß, dass es früh am Morgen ist.«
Neva kicherte in sich hinein und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das zahlt er Ihnen irgendwann heim«, sagte sie zu Diane.
»Ist auch etwas von Ihrem Blut darunter?«, fragte Jin und starrte auf die rote Lache.
»Nein«, sagte Diane. »Ich glaube nicht.«
»Um Himmels willen.«
Diane erkannte die Stimme von Lynn Webber, der amtlichen Leichenbeschauerin des nördlich von Rosewood gelegenen Hall County.
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