Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
gar nicht zu bemerken und er wollte sich vor ihm keine Blöße geben.
Sadi runzelte die Stirn, was seit dem Beginn ihres Gespräches die erste Veränderung seines Gesichtsausdrucks darstellte. »Und wie alt ist diese Rivalin? Wie sieht sie aus?«
»Schwer zu sagen. Du weißt selbst, wie schwierig es ist, diese Gören aus kurzlebigen Völkern voneinander zu unterscheiden. Auf jeden Fall sieht sie jung aus. Goldenes Haar. Das ist das einzige definitive Merkmal. Hat wahrscheinlich eine seltsame Aura ...«
Sadi stieß ein Lachen aus, bei dem Greer unwohl wurde. Obwohl Sadi höchst belustigt wirkte, war da ein eigenartiges Glitzern in seinen Augen. »Mein lieber Lord Greer, damit beschreibst du die Hälfte aller Frauen, die auf diesem Steinhaufen leben. Eine seltsame Aura? Im Vergleich zu was? Nervosität grassiert hier als Epidemie. Auf der ganzen verfluchten Insel wirst du keine einzige aristokratische Familie finden, die nicht zumindest eine Tochter mit einer eigenartigen Aura vorzuweisen hat. Was erwartest du von mir? Soll ich an jedes einzelne Mädchen herantreten und sie unter den Augen ihrer Anstandsdame fragen, welche Beziehungen sie zu Haylls Hundert Familien unterhält?« Er lachte erneut.
Greer knirschte mit den Zähnen. »Dann lehnst du das Angebot ab?«
»Nein, Greer, ich will dir damit nur sagen, dass der Gefährte eurer Freundin sich noch sehr lange in Sicherheit wiegen kann, wenn das sämtliche Informationen sind. Solltest du mir nicht mehr sagen können, ist es die Mühe nicht wert.« Sadi erhob sich und zog seine Jackenärmel über die Manschetten. »Das Angebot ist allerdings ohne Frage verlockend und sollte ich einem goldhaarigen Mädchen mit einer Vorliebe für Hayllier begegnen, werde ich es mir genauer ansehen. Wenn du mich nun entschuldigen würdest, man erwartet mich längst bei einem Schneider, wo meine Meinung in Stilfragen geradezu unabdinglich ist.« Mit
diesen Worten verbeugte er sich spöttisch und verließ das Zimmer.
Nachdem Greer bis zehn gezählt hatte, sprang er aus dem Sessel auf und taumelte auf tauben Beinen zur Tür. Der Türknauf war so kalt, dass er fast daran kleben blieb. Als er die Tür endlich aufbekommen hatte, trat er auf den Gang und lehnte sich kraftlos gegen die Wand.
Der Gang fühlte sich wie ein Ofen an.
In der Gartennische starrte Daemon auf das Beet mit dem Hexenblut. Da er nicht hatte einschlafen können, war er spazieren gegangen und schließlich hierher gelangt. Die Nachtluft war kühl und er hatte seinen Mantel vergessen, doch es fühlte sich gut an, von einer Kälte betäubt zu werden, die nicht aus seinem Innern stammte.
Dorothea suchte nach Jaenelle. Es machte keinen Unterschied, ob sie ihre eigenen Gründe hatte oder auf jemandes Geheiß agierte. Sie war immer bemüht, junge, starke Hexen zu vernichten, die ihr eines Tages die Macht streitig machen könnten. Sobald sie herausgefunden hatte, wer und was Jaenelle war, würde sie jede Waffe benutzen, die ihr zur Verfügung stand, um das Mädchen zu töten.
Greer schnüffelte auf der Suche nach Informationen herum, was bedeutete, dass Dorothea sich nicht sicher war, ob Jaenelle tatsächlich in Beldon Mor lebte. Doch es bestand kein Grund zu der Annahme, dass Greers Besuch kurz ausfallen würde, und wenn er lange genug bliebe, würden ihm früher oder später Gerüchte über Leland Benedicts exzentrische, goldhaarige Tochter zu Ohren kommen. Und dann?
Hast du ihr beigebracht, wie man tötet, Priester? Kannst du ihr so etwas beibringen? Sie ist so weise in ihrer Unschuld, so unschuldig in ihrer Weisheit.
Er hätte Greer töten sollen, anstatt ihm lediglich die Hand zu verkrüppeln, mit der er Titian die Kehle aufgeschlitzt hatte. Doch der Zeitpunkt war äußerst ungünstig gewesen und
selbst wenn Dorothea keine Beweise gehabt hätte, hätte sie ihn verdächtigt. Ein Versäumnis, das er noch immer nicht nachholen konnte, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf das hiesige Anwesen zu lenken. Es gab keinen sicheren Ort, an dem er Jaenelle verstecken konnte, schon gar nicht bei ihrem ausgeprägten Forscherdrang; und er war nicht gewillt, sie dem Priester zu überlassen, selbst wenn sie dorthin gehen und fort bleiben würde. Noch nicht.
Daemon schüttelte den Kopf. Die Nacht schwand dahin und seitdem er die Nische erreicht hatte, wusste er, was er zu tun hatte. Wenn es bei dem Angebot um ihn allein gegangen wäre, gäbe es keinen Zweifel, was seine Antwort betraf, doch es hatte nicht ihm allein gegolten. Er atmete
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