Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
Mitte des Raumes führte. Er verbeugte sich, und zufrieden lächelnd vollführte sie einen Knicks. Er nahm sie in die Arme und sie tanzten zu einer Chailloter Melodie, die er schon auf einigen Bällen gehört hatte. Als sie durch das Zimmer wirbelten, grinste er zu den Mädchen hinüber, die ebenfalls ausgelassen tanzten.
Dann strauchelte die Köchin plötzlich und starrte zur Tür.
»Was hat das zu bedeuten?«, meinte Graff boshaft, als sie ins Zimmer trat. Sie warf der Köchin einen eiskalten Blick zu. »Man hat dir die Aufsicht der Mädchen ein paar wenige Stunden lang anvertraut und nun finde ich dich hier inmitten eines mehr als fragwürdigen Vergnügens!« Ihr Blick glitt zu Daemons Arm, der immer noch um die Taille der Köchin gelegt war. Mit hinterhältiger Schadenfreude rümpfte sie die Nase. »Wenn ich Lady Angelline hiervon berichte, wird sie sich vielleicht endlich nach jemandem umsehen, der tatsächlich kochen kann!«
»Es ist nichts passiert, Graff.«
Der kalte Zorn in Jaenelles ruhiger Stimmer jagte Daemon einen Schauder über den Rücken.
Graff wandte sich ihr zu. »Na, das werden wir ja sehen, mein Fräulein.«
»Graff!« Ihre Stimme war ein dunkles Flüstern.
Daemon erbebte. Sein Selbsterhaltungstrieb schrie förmlich danach, das Schwarze anzurufen und einen Schutzschild um sich aufzubauen.
Als Graff im Türrahmen erschienen war, hatte es einen seltsamen Strudel gegeben, der ihm das Gefühl vermittelte, in eine Spirale gezogen zu werden. Noch nie zuvor hatte er etwas Derartiges gespürt und folglich nicht geahnt, dass Jaenelle dabei war, in den Abgrund abzugleiten. Jetzt konnte er ihre Wut spüren; sehr, sehr kalte Wut.
Langsam drehte Graff sich um, ihre Augen starrten ins Leere.
»Es ist nichts passiert, Graff«, erklang Jaenelles Flüstern erneut. »Wilhelmina und ich waren im Musikzimmer und haben Tanzschritte eingeübt. Die Köchin hatte uns ein paar belegte Brote gebracht und war gerade dabei zu gehen, als du ankamst. Den Prinzen hast du nicht gesehen, weil er auf seinem Zimmer war. Verstanden?«
Die Gouvernante zog die Brauen zusammen. »Nein, ich ...«
»Sieh nach unten, Graff. Sieh nach unten! Siehst du es?«
Graff schrie auf.
»Wenn du dich nicht an das erinnerst, was ich dir gesagt habe, wirst du nur das sehen ... für immer. Verstanden?«
»Verstanden«, flüsterte Graff, der Speichel vom Kinn troff.
»Du kannst gehen, Graff. Geh auf dein Zimmer.«
Als sie kurz darauf hörten, wie sich eine Tür weiter hinten im Korridor schloss, führte Daemon die Köchin zu einem Sessel, in den sie sich dankbar sinken ließ. Jaenelle sagte nichts mehr, doch in ihren Augen waren Schmerz und Trauer, als sie ihren Blick durch die Runde schweifen ließ, bevor sie sich auf ihr Zimmer zurückzog. Wilhelmina hatte sich in die Hose gemacht. Daemon säuberte das Mädchen, wischte den Boden auf, trug das Tablett mit den Broten in die Küche zurück und verabreichte der Köchin zur Beruhigung ein großzügiges Glas Brandy.
»Sie ist ein eigenartiges Kind«, meinte die Köchin vorsichtig nach dem zweiten Glas Brandy, »aber es steckt mehr Gutes als Schlechtes in ihr.«
Er gab ihr die besänftigenden Antworten, die sie von ihm hören wollte und die ihr dabei helfen würden, damit fertig zu werden, was sie in jenem Zimmer erlebt hatte. Auch Wilhelmina, die sich lediglich schämte, dass er Zeuge ihres kleinen Missgeschicks geworden war, hatte die Auseinandersetzung in Gedanken längst zu etwas umgedeutet, was
sie akzeptieren konnte. Nur er weigerte sich, die empfundene Angst und die Ehrfurcht zu verdrängen, als er in seinem Zimmer saß und ins Leere starrte. Nur er wusste zu würdigen, wie schrecklich und gleichzeitig schön das war, wovon er soeben Zeuge geworden war.
2Terreille
D aemon saß auf seiner Bettkante und ein wehmütiges, zärtliches Lächeln spielte um seine Lippen. Trotz des Bewahrungszaubers verblassten die Farben des Bildes langsam und an den Rändern war es bereits abgegriffen. Doch nichts konnte das spitzbübische Lächeln und das draufgängerische Glitzern in Lucivars Augen zum Erlöschen bringen. Es war das einzige Bild, das Daemon von ihm besaß. Entstanden war es vor etlichen Jahrhunderten, als Lucivar immer noch die Aura jugendlicher Hoffnung umgeben hatte, bevor die Jahre und das Leben an verschiedenen Höfen das schöne, jugendliche Antlitz in ein Gesicht verwandelt hatten, das den Bergen von Askavi glich, die Lucivar so liebte – schön selbst noch in seiner
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