Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
Greifbares, das sich nicht in Worte fassen ließ. Während der Stunden, die er in der hayllischen Botschaft verbracht hatte, war es wie ein Nebel zu ihm aufgestiegen, den man spüren, aber nicht sehen konnte. Noch nie zuvor hatte er etwas Derartiges erlebt und doch kam es ihm seltsam vertraut vor.
»Dies ist alles Teil des Angelline-Anwesens«, brach Philip das Schweigen. »Nach der nächsten Kurve kann man das Haus sehen.«
Daemon zwang sich dazu, seine Gedanken von dem Rätsel, das ihn beschäftigte, abzulenken und ein gewisses Maß an Interesse an seinem neuen Wohnort zu demonstrieren.
Es war ein stattliches, wohlproportioniertes Herrenhaus,
das sich wunderbar in die Landschaft einfügte. Er konnte nur hoffen, dass die Innenausstattung von derselben unaufdringlichen Eleganz war wie das Äußere des Gebäudes. Es wäre eine Erleichterung, an einem Ort zu leben, der ihn nicht schon durch seine Geschmacklosigkeit reizbar machte.
»Es ist schön«, meinte Daemon, als sie das Haus erreichten.
Philip schenkte ihm ein argwöhnisches Lächeln. »Ja, das ist es.«
Als Daemon aus der Kutsche stieg und Philip die Stufen zum Eingang empor folgte, verspürte er eine seltsame Aufregung. Innerlich spannte er sich an. Sobald er die Schwelle überschritten hatte, blieb er wie angewurzelt stehen.
Die mentale Signatur war beinahe fort, doch er erkannte sie. Eine dunkle Signatur. Eine mächtige, furchterregende, wunderbare Signatur.
Sie war hier. Sie war hier !
Am liebsten wäre er in Triumphgeschrei ausgebrochen, doch der wachsame Ausdruck in Philips Augen, als er ihm einen Blick über die Schulter zuwarf, schärfte Daemons Raubtierinstinkt. Als er Philip einholte, hatte er sich bereits ein halbes Dutzend Arten einfallen lassen, wie man einen Prinzen, der graue Juwelen trug, am besten still und leise verschwinden lassen konnte.
Daemon lächelte und fand Gefallen daran, dass Philip unwillkürlich erschauderte.
»Hier entlang«, meinte Philip knapp, als er um eine Ecke bog und in Richtung des hinteren Teils des Hauses ging. »Lady Angelline erwartet dich bereits.«
Die Hände in den Hosentaschen, setzte Daemon seine gelangweilte Hofmiene auf und passte sich mit eleganter Indifferenz Philips Schrittgeschwindigkeit an. So ungeduldig er auch darauf brannte, die Hexen in dieser Familie kennen zu lernen, war es doch nicht ratsam, Philip zu viel Unbehagen zu verursachen.
Sie hatten beinahe eine Tür erreicht, als ein Mann aus dem Zimmer trat. Er war dick, rot im Gesicht und insgesamt eher unattraktiv, doch zwischen ihm und Philip bestanden genug Ähnlichkeiten, um die beiden als Brüder zu verraten.
»Aha«, sagte Robert Benedict mit einem höhnischen Grinsen. »Dies ist also Daemon Sadi. Die Mädchen sind ganz aus dem Häuschen, dich hier zu haben. Ganz aus dem Häuschen.« Seine Augen verschwanden hinter den sie umgebenden Fettwülsten, als er Philip mit einem gehässigen Lächeln bedachte, bevor er sich erneut Daemon zuwandte. »Leland hat sich den ganzen Vormittag lang für diesen besonderen Anlass herausgeputzt. Da Philip hier mittlerweile eine Art Verwalter ist, hat er nicht so viel Zeit, sich um die Bedürfnisse der Mädchen zu kümmern, wie dir zur Verfügung stehen wird.« Er rieb sich hämisch die Hände. »Wenn ihr mich entschuldigen wollt, die Pflicht ruft.«
Die beiden traten beiseite, um Robert vorbeizulassen, und standen dann schweigend im Korridor, bis die Eingangstür ins Schloss fiel. Unter seiner Sommerbräune war Philip leichenblass geworden, sein Atem ging pfeifend durch zusammengebissene Zähne und er zitterte bei dem Versuch, gegen die gewaltsam auf ihn einstürmenden Gefühle anzukämpfen.
»Sie warten«, mahnte Daemon leise.
Aus Philips Augen sprach der blanke Hass, doch Daemon erwiderte den Blick gelassen. Ein Kriegerprinz mit schwarzem Juwel hatte von einem grauen Prinzen nichts zu befürchten. Selbst im Zustand rasender Wut würde Philip nicht das Geringste gegen einen noch so ausgeglichenen Daemon ausrichten können und sie beide wussten es.
»Hier hinein.« Philip führte Daemon in das Zimmer.
Ohne zu ungeduldig wirken zu wollen, trat Daemon in den sonnigen Raum, der eine große Rasenfläche und gepflegte Ziergärten überblickte; er war sich sicher, dass er sie auf Anhieb erkennen würde.
Sekunden später musste er einen Wutschrei unterdrücken.
In dem Zimmer befanden sich zwei Frauen und ein Mädchen von etwa vierzehn Jahren, doch die eine, die er suchte, war nicht da.
Alexandra
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