Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Dunkelheit. Dem Höllenfürsten. Der Mann, der ihr das Haus gebaut und ihr geholfen hatte, ihr Leben wieder zusammenzusetzen. Es gelang Lucivar nicht, die widersprüchlichen Bilder miteinander zu vereinen, die er von dem Mann hatte; ebenso wenig, wie es ihm gelingen wollte, die Burg mit dem stattlichen Herrenhaus in Einklang zu bringen, das er ursprünglich erwartet hatte.
Und er würde es nie schaffen, irgendetwas miteinander in Einklang zu bringen, wenn er weiterhin einfach nur herumstand.
»Komm schon, Katze. Klopfen wir.«
Noch bevor sie die oberste Treppenstufe erreicht hatten, wurde die Tür geöffnet. Der große Mann, der im Türrahmen stand, hatte die stoische, unerschütterliche Miene eines ranghohen Bediensteten, doch gleichzeitig trug er ein rotes Juwel.
»Hallo, Beale«, sagte Jaenelle auf dem Weg ins Burginnere.
Der Hauch eines Lächelns umspielte Beales Lippen. »Lady.«
Das Lächeln verschwand, sobald Lucivar die Burg betrat. »Prinz.« Beale verbeugte sich in dem genau vorgeschriebenen, höflichen Abstand.
Das träge, arrogante Lächeln kam automatisch. »Lord Beale.« Lucivar sprach mit ausreichend Schärfe in der Stimme, um den anderen Mann zu warnen, sich nicht mit ihm anzulegen, ohne ihn offen herauszufordern. Er hatte noch niemals einen Hausangestellten herausgefordert. Andererseits war er auch noch nie einem Krieger mit rotem Juwel begegnet, der von Beruf Butler war.
Jaenelle schenkte dem unterschwelligen Machtkampf der Männer keinerlei Bedeutung, sondern rief das Gepäck herbei und ließ es auf den Boden fallen. »Beale? Würdest du Helene bitten, im Familienflügel ein Gemach für Prinz Yaslana herzurichten? «
»Mit Vergnügen, Lady.«
Jaenelle deutete auf die Rückseite der großen Eingangshalle. »Papa?«
»In seinem Arbeitszimmer.«
Lucivar folgte Jaenelle zur letzten Tür auf der rechten Seite. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, weshalb Beales Augen ihn eben bei der Erwähnung Saetans belustigt angefunkelt hatten.
Das Mädchen klopfte an die Tür und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Lucivar war ihr dicht auf den Fersen, geriet jedoch ins Taumeln, als der Mann, der vor dem Ebenholzschreibtisch stand, sich zu ihnen umdrehte.
Daemon!
Während sie einander anstarrten – beide zu verblüfft, um etwas zu sagen –, registrierte Lucivar die Einzelheiten, die seinem ersten Eindruck widersprachen.
Die dunkle mentale Signatur war zwar ähnlich, wies jedoch auch feine Unterschiede auf. Der Mann, den er vor sich hatte, war ein paar Zentimeter kleiner als Daemon und nicht
ganz so breit gebaut, bewegte sich aber mit der gleichen katzenartigen Geschmeidigkeit. Das dichte schwarze Haar wies an den Schläfen silberne Strähne auf. Seine Züge – die von Gelächter wie auch von schweren Bürden gezeichnet waren – gehörten einem Mann, der die Blüte seiner Jahre gerade überschritten hatte. Aber dieses Gesicht! Männlich. Gut aussehend. Das wärmere, gröbere Vorbild für Daemons kalte, geschliffene Schönheit. Und zu guter Letzt: die langen, schwarz gefärbten Fingernägel und der Ring mit dem schwarzen Juwel.
Mit verschränkten Armen lehnte Saetan sich an den Schreibtisch und meinte: »Hexenkind, ich werde dir den Hals umdrehen.«
Instinktiv entblößte Lucivar die Zähne und trat vor, um seine Königin zu beschützen.
Jaenelles betrübtes, kindliches Seufzen ließ ihn erstarren.
»Das ist nun schon das sechste Mal in zwei Wochen, und ich bin gerade eben erst nach Hause gekommen!«
Zorn stieg in Lucivar empor. Wie konnte der Höllenfürst es wagen, ihr zu drohen!
Allerdings wirkte seine über alles geliebte Katze nicht im Geringsten eingeschüchtert, und Saetan schien Schwierigkeiten zu haben, eine ernste Miene zu bewahren.
»Das sechste Mal?«, meinte Saetan, dessen tiefe Stimme ein sanftes Timbre aufwies, obgleich ein belustigter Unterton mitschwang.
»Zweimal Prothvar, zweimal Onkel Andulvar …«
Sämtliches Blut wich aus Lucivars Kopf. Onkel Andulvar ?
»… einmal Mephis und nun auch noch du.«
Um Saetans Lippen zuckte es verdächtig. »Prothvar will dir immer den Hals umdrehen, das überrascht mich also nicht weiter. Außerdem scheinst du ein Talent dafür zu besitzen, Andulvar zu provozieren, aber was hast du angestellt, um Mephis zu verstimmen?«
Jaenelle schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich weiß nicht«, murmelte sie verdrossen. »Er meinte, er könne in meiner Anwesenheit nicht darüber reden.«
Das satte, warme Lachen des
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