Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
keinen Wunsch abgeschlagen. Alle waren damals bereit, Tersas Wünschen nachzugeben. Niemand wollte, dass sie sich aufregte und am Ende eine Fehlgeburt erlitt, denn einen zweiten Versuch hätte es für sie nicht gegeben. Ein paar Wochen, nachdem ich Luthvian durch ihre Jungfrauennacht begleitet hatte, eröffnete sie mir, dass sie schwanger sei. Auf dem Besitztum gab es ein leer stehendes Haus, etwa eine Meile von der Burg entfernt. Ich bestand darauf, dass sie und Tersa dort und nicht an Dorotheas Hof lebten. Tersa war nicht viel älter als Luthvian, doch sie war weitaus verständiger, besonders, was Hüter betraf. Sie begnügte sich mit der Freundschaft, die ich ihr zu bieten hatte. Luthvian war reizbarer und hatte zudem die Freuden des Bettes für sich entdeckt. Sie verzehrte sich danach. Eine Zeit lang konnte ich noch mit der Art Intimität dienen, nach der es sie verlangte, und als es nicht mehr ging, hatte sie ohnehin das Interesse verloren. Doch nachdem
sie sich von den Strapazen der Geburt erholt hatte, kehrte ihre Begierde zurück. Zu dem Zeitpunkt konnte ich sie auf andere Art und Weise befriedigen, jedoch nicht so, wie sie es sich wünschte. Wir stritten ständig darüber, ob du, wie sie es wollte, in Dhemlan aufgezogen werden solltest oder in Askavi, was meiner Meinung nach der richtige Ort für dich war. Unsere Beziehung war so angespannt, dass sie den Halbwahrheiten, die man ihr über die Hüter erzählte, nur allzu bereitwillig Glauben schenkte. Dorothea stimmte ihre Lügen und Intrigen gut aufeinander ab. Dank Prythians Hilfe verlor ich euch beide. Innerhalb eines einzigen Tages verlor ich euch beide.«
Nicht Luthvian. Daemon.
Ein Seufzer entrang sich Saetans Kehle. »Lucivar, auch wenn es nicht alles wieder gutmachen kann: Deine Existenz habe ich niemals bereut. Den Schmerz, den du erdulden musstest, bereute ich, aber nicht dich. Und ich bin sehr froh, dass du überlebt hast.«
Da Lucivar keine passende Erwiderung einfiel, nickte er nur schweigend.
Saetan zögerte. »Würdest du mir etwas verraten, wenn du es weißt?«
Lucivar war klar, was Saetan fragen wollte. Er war sich nicht sicher, was er von dem Mann halten sollte, der ihn gezeugt hatte; doch zumindest in diesem Moment gelang es ihm, über die Titel und die Macht hinwegzublicken und einen Mann vor sich zu sehen, der nach dem Wohlergehen eines seiner Kinder fragte.
Mit geschlossenen Augen sagte Lucivar: »Er befindet sich im Verzerrten Reich.«
Saetan lag auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer. Er war unendlich froh, allein zu sein.
Alles hat seinen Preis.
Er hatte nur nicht erwartet, dass der Preis so hoch sein würde.
Reue und Bedauern waren sinnlos. Schuldgefühle ebenso.
Ein Kriegerprinz war in erster Linie seiner Königin verpflichtet. Doch Daemon …
Erinnerungsfetzen stiegen in ihm empor und trafen ihn mitten ins Herz.
Tersa als Hochschwangere, die seine Hand auf ihren Bauch legte.
Luthvians ewiger Kreislauf aus Wut und Begierde.
Daemon, der auf seinem Schoß saß, während er ihm eine Gutenachtgeschichte vorlas.
Lucivar, der durch das Zimmer flatterte und schadenfroh lachte, während er sich immer knapp außerhalb der Reichweite seines Vaters hielt.
Jaenelle, wie sie Chaos in seinem Arbeitszimmer anrichtete, als er ihr zum ersten Mal beizubringen versuchte, ihre Schuhe mithilfe der Kunst wiederzufinden.
Tersas Wahnsinn. Luthvians Zorn.
Lucivar im Bett in Jaenelles Häuschen. Sein geschundener Körper.
Daemon, der auf Cassandras Altar lag, und dessen Geist so furchtbar zerbrechlich war.
Jaenelle, die nach zwei herzzerreißenden Jahren aus dem Abgrund zurückkehrte.
Bruchstücke. Daemons zerborstener Geist.
Das erklärte auch, weshalb es Saetan in den letzten beiden Jahren trotz sorgfältigen Suchens nicht gelungen war, seinen Sohn zu finden, der ihm wie ein Spiegelbild glich. Er hatte an den falschen Orten gesucht.
Da schlich sich doch reuevolles Bedauern in seine Gedanken, obgleich es völlig sinnlos war.
Vielleicht würde es ihm gelingen, Daemon zu finden, doch die einzige Person, die Daemon mit Sicherheit aus dem Verzerrten Reich zurückholen könnte, war Jaenelle. Doch Jaenelle war zudem genau die Person, die nicht wissen durfte, was er vorhatte.
Kapitel 11
1 Kaeleer
W ährend Saetan auf das Abendessen wartete, verkrampfte sich sein Magen noch weiter.
Jaenelle war eine Woche zu Hause gewesen, um Lucivar zu helfen, sich an die Familie zu gewöhnen – und umgekehrt
– , als ein scharf formulierter Brief des
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