Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
einen Moment lang innehalten.
»Ich gab ihm jegliche Kraft, die ich besaß. Er wagte sich zu weit in den Abgrund vor, um dich zu erreichen. Als ich versuchte, ihn zurück nach oben zu ziehen, wehrte er sich, und die Verbindung zwischen uns ist abgerissen.«
»Er hat seinen Kristallkelch zerstört«, sagte Jaenelle mit dumpfer Stimme. »Er hat seinen Geist zerstört. Ich habe ihn wieder zusammengesetzt, doch es war ein solch furchtbar zerbrechliches Gebilde. Als er aus dem Abgrund auftauchte, kann alles Mögliche passiert sein. Zu dem Zeitpunkt hätte
schon ein harsches Wort ausgereicht, um den Kelch zu beschädigen. «
»Ich weiß«, erwiderte Saetan gedämpft. »Ich habe Daemon gespürt.«
Erneut füllten sich ihre Augen mit kalter Wut. »Aber du hast ihn dort gelassen, nicht wahr, Saetan?«, sagte sie eine Spur zu sanft. »Die Onkel von Briarwood hatten den Altar erreicht, und du hast einen wehrlosen Mann zurückgelassen, damit er ihnen entgegentritt.«
»Er sollte durch das Tor gehen«, entgegnete Saetan aufgebracht. »Ich weiß nicht, warum er es nicht tat.«
»Natürlich weißt du es.« Ihre Stimme wurde zu einem düsteren Singsang. »Wir beide wissen es. Da man die Kerzen nicht mit einem Zeitzauber belegt hat, um sie zu löschen, musste jemand zurückbleiben. Selbstverständlich fiel diese Pflicht dem Kriegerprinzen zu.«
»Vielleicht hatte er andere Gründe, weswegen er zurückblieb«, erwiderte Saetan bedächtig.
»Vielleicht«, meinte sie ebenso besonnen. »Aber das erklärt nicht, wieso er sich im Verzerrten Reich befindet, oder, Höllenfürst?« Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Es erklärt nicht, weshalb du ihn dort gelassen hast.«
»Ich wusste nicht, dass er im Verzerrten Reich ist, bis …« Saetan biss die Zähne zusammen, um die Worte zurückzuhalten.
»Bis Lucivar nach Kaeleer kam«, beendete Jaenelle seinen Satz. Sie machte eine abwehrende Handbewegung, bevor er etwas sagen konnte. »Lucivar war in den Salzminen von Pruul. Ich weiß, dass er nichts hätte tun können. Du allerdings schon.«
Saetan sprach langsam und überdeutlich: »Es war am wichtigsten, dich zurückzuholen. Dieser Aufgabe widmete ich meine gesamten Kräfte. Daemon hätte es verstanden, ja hätte es von mir verlangt.«
»Es ist nun zwei Jahre her, dass ich zurückgekommen bin, und es gibt nichts, das noch an deinen Kräften zehren würde. « Das schmerzliche Gefühl, verraten worden zu sein, blickte
ihm aus ihren Augen entgegen. »Aber du hast nicht einmal den Versuch unternommen, ihn zu erreichen, nicht wahr?«
»Doch, ich habe es versucht! Verdammt noch mal, ich habe es versucht! « Er sank matt gegen den Schreibtisch. »Hör auf, dich wie ein borniertes kleines Miststück aufzuführen! Er mag einer deiner Freunde sein, aber abgesehen davon ist er immer noch mein Sohn . Meinst du wirklich, ich hätte nicht versucht, ihm zu helfen?« Erneut stieg das bittere Gefühl des Versagens in ihm hoch. »Ich war so nahe daran, Hexenkind, so nahe. Doch er befand sich ganz knapp außerhalb meiner Reichweite. Und er vertraute mir nicht. Wenn er sich ein wenig Mühe gegeben hätte, dann hätte ich ihm helfen können. Ich hätte ihm den Weg aus dem Verzerrten Reich weisen können; aber er vertraute mir nicht.«
Das Schweigen dehnte sich aus.
»Ich werde ihn zurückholen«, sagte Jaenelle leise.
Saetan richtete sich auf. »Du kannst nicht nach Terreille zurück.«
»Schreib mir nicht vor, was ich kann und was nicht«, fuhr Jaenelle ihn wütend an.
»Hör mir zu, Jaenelle«, meinte er eindringlich. »Du kannst nicht nach Terreille zurück. Sobald Dorothea von deiner Anwesenheit dort Wind bekommt, wird sie alles daran setzen, dich in ihre Gewalt zu bringen und zu zerstören. Außerdem bist du noch immer nicht volljährig. Deine Verwandten auf Chaillot könnten versuchen, das Sorgerecht für dich zurückzuerlangen. «
»Das Risiko gehe ich ein. Ich werde nicht zulassen, dass er weiter leidet.« Sie drehte sich um und marschierte auf die Tür zu.
Saetan holte tief Atem und ließ die Luft langsam wieder entweichen. »Da ich sein Vater bin, kann ich ihn ohne Körperkontakt erreichen.«
»Aber er vertraut dir nicht.«
»Ich kann dir helfen, Jaenelle.«
Als sie den Kopf wandte, um ihm einen Blick zuzuwerfen, sah er eine Fremde vor sich.
»Ich will deine Hilfe nicht, Höllenfürst.«
Dann ging sie von ihm fort, und ihm war bewusst, dass sie mehr tat, als lediglich ein Zimmer zu verlassen.
Alles hat seinen Preis.
Lucivar
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