Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
fand sie ein paar Stunden später im Garten vor, wo sie auf einer steinernen Bank saß, die Hände so fest zwischen die Knie geklemmt, dass es wehtun musste. Er ließ sich mit gespreizten Beinen auf der Bank nieder und setzte sich so nah wie möglich neben sie, ohne sie dabei zu berühren. »Katze? «, sagte er leise, da er fürchtete, dass selbst das kleinste Geräusch sie zerbrechen könnte. »Bitte sprich mit mir.«
»Ich …« Sie erschauderte.
»Du kannst dich erinnern.«
»Ich kann mich erinnern.« Sie stieß ein Lachen aus, das wie ein scharfer Dolch durch die Luft schnitt. »Ich kann mich an alles erinnern. Marjane, Dannie, Rose. Briarwood. Greer. An alles.« Sie warf ihm einen raschen Blick zu. »Du hast von Briarwood gewusst. Und von Greer.«
Lucivar strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Vielleicht sollte er sich die Haare kurz schneiden lassen, so wie eyrische Krieger sie normalerweise trugen. »Manchmal, wenn du schlecht träumst, sprichst du im Schlaf.«
»Also habt ihr beide davon gewusst. Und nichts gesagt.«
»Was hätten wir denn sagen sollen, Katze?«, fragte Lucivar bedächtig. »Wenn wir jemand anders gezwungen hätten, sich an etwas derart Schreckliches zu erinnern, hättest du uns gehörig den Kopf gewaschen – und mit ein paar Möbelstücken um dich geworfen.«
Der Hauch eines geisterhaften Lächelns huschte über Jaenelles Gesicht. »Stimmt.« Dann erlosch das Lächeln wieder. »Weißt du, was das Schlimmste daran ist? Ich habe ihn vergessen. Daemon war ein Freund, und ich habe ihn vergessen. An jenem Winsol, bevor ich … da hat er mir ein Silberarmband geschenkt. Ich weiß nicht, was damit passiert ist. Außerdem hatte ich ein Bild von ihm. Keine Ahnung, wo das stecken mag! Und dann tat er alles, was in seiner Macht
stand, um mir zu helfen, und als es vorbei war, hat ihn jeder im Stich gelassen, als sei er völlig nebensächlich.«
»Wenn du dich an die Vergewaltigung erinnert hättest, als du zum ersten Mal zurückgekommen bist, wärst du dann geblieben? Oder wärst du wieder aus deinem Körper geflohen? «
»Ich weiß es nicht.«
»Wenn Daemon zu vergessen der Preis war, um jene Erinnerungen in Schach zu halten, bis du stark genug warst, dich ihnen zu stellen … Er würde sagen, dass es ein gerechter Preis war.«
»Es ist sehr leicht, Behauptungen darüber aufzustellen, was Daemon sagen würde, solange er nicht hier ist um zu widersprechen, nicht wahr?« Ihr stiegen Tränen in die Augen.
»Du vergisst da etwas, kleine Hexe«, meinte Lucivar scharf. »Er ist mein Bruder, und er ist ein Kriegerprinz. Ich kenne ihn um einiges besser als du.«
Jaenelle rutschte unbehaglich auf der Bank hin und her. »Ich gebe dir nicht die Schuld an dem, was passiert ist. Der Höllenfürst …«
»Bevor du dem Höllenfürsten die ganze Schuld dafür in die Schuhe schiebst, dass Daemon sich im Verzerrten Reich befindet, solltest du auch noch eine Portion für mich übrig behalten.«
Sie wandte sich zu ihm um und bedachte ihn mit einem eiskalten Blick.
Lucivar holte tief Luft. »Er kam, um mich aus Pruul herauszuholen. Ich sollte mit ihm gehen. Doch ich weigerte mich, weil ich dachte, er habe dich umgebracht, er sei derjenige gewesen, der dich vergewaltigt hat.«
» Daemon? «
Lucivar fluchte heftig. »Manchmal ist man einfach unglaublich leichtgläubig und naiv. Du hast ja keine Ahnung, zu was Daemon fähig ist, wenn ihn die kalte Wut erfüllt.«
»Das hast du wirklich geglaubt?«
Er stützte den Kopf in die Hände. »Da war so viel Blut, so viel Schmerz. Es gelang mir nicht, über meine Trauer hinauszublicken
und klar genug zu denken, um zu hinterfragen, was man mir erzählt hatte. Und als ich ihn beschuldigte, hat er es nicht abgestritten.«
Jaenelle blickte nachdenklich drein. »Er versuchte mich zu verführen. Genauer gesagt verführte er Hexe . Als wir im Abgrund waren.«
»Er hat was getan?«, wollte Lucivar mit tödlicher Gelassenheit wissen.
»Nun werd nicht gleich böse«, fuhr Jaenelle ihn an. »Es war nur ein Trick, um mich dazu zu bringen, meinen Körper zu heilen. Er wollte mich nicht wirklich. Sie. Er wollte nicht…« Ihre Stimme verlor sich. Jaenelle ließ eine Minute verstreichen, bevor sie fortfuhr: »Er sagte, er habe sein ganzes Leben lang auf Hexe gewartet. Er glaubte, dass er dazu geboren sei, ihr Geliebter zu werden. Doch dann wollte er nicht ihr Geliebter werden.«
»Beim Feuer der Hölle, Katze«, brach es aus Lucivar hervor. »Du warst ein
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