Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
zu heilen.
Er musste aufhören.
Allerdings konnte er das nicht, bevor er nicht endlich Jaenelle gefunden hatte.
Trotz aller Bemühungen war es ihm nicht gelungen, sie ausfindig zu machen. Ladvarian hatte ihm lediglich sagen können, dass sie sich hier befand und dass sie weinte. Doch weder Ladvarian noch Kaelas konnten ihm auch nur die ungefähre Richtung angeben, in der er nach ihr suchen sollte. Als Mistral endlich begriffen hatte, weshalb er sich Sorgen machte, hatte der Hengst gesagt: *Ihr Kummer macht es uns unmöglich, sie zu finden.*
Saetan rieb sich die Augen und hoffte inständig, dass sein völlig ausgelaugter Geist noch lange genug funktionieren würde, um ihm den Weg in das Lager zu weisen, das Chaosti und Elan errichtet hatten. Er war zu müde. Sein erschöpfter Geist gaukelte ihm bereits Trugbilder vor.
So glaubte er doch tatsächlich, eine Einhornkönigin vor sich zu sehen, die aussah, als bestehe sie aus Mondlicht und Nebel und habe Augen, die so alt wie das Land waren.
Es dauerte eine Minute, bis er merkte, dass er durch sie hindurchsehen konnte.
»Du bist …«
*Gestorben*, sagte die sanfte Frauenstimme. *Vor langer, langer Zeit. Und doch niemals tot. Komm, Höllenfürst. Meine Schwester braucht jetzt ihren Vater.*
Saetan folgte ihr zu einem Kreis aus niedrigen Felsen, die immer im gleichen Abstand voneinander standen. In der Mitte erhob sich ein gigantisches Steinhorn aus dem Erdboden. Eine alte, tiefe Macht erfüllte den Ort.
»Dorthin kann ich nicht gehen«, meinte Saetan. »Es ist ein heiliger Ort.«
*Ein ehrwürdiger Ort*, entgegnete sie. *Sie ist ganz in der Nähe. Sie trauert um das, was sie nicht bewahren konnte. Du musst ihr all das zeigen, was sie gerettet hat.*
Die Stute betrat den Kreis. Als sie sich dem steinernen
Horn näherte, verblasste sie, bis nichts mehr von ihr zu sehen war, doch er hatte immer noch das Gefühl, von uralten Augen beobachtet zu werden.
In der Luft zu seiner Rechten flimmerte es. Ein Schleier hob sich, von dessen Existenz er bis eben nichts geahnt hatte. Saetan ging auf die Stelle zu. Und er fand sie.
Die Bastarde hatten Kaetien abgeschlachtet. Sie hatten ihm die Beine, den Schweif und die Genitalien abgehackt. Sie hatten ihm den Bauch aufgeschlitzt.
Sie hatten ihm das Horn abgehackt.
Sie hatten ihm den Kopf abgeschlagen.
Doch in Kaetiens dunklen Augen funkelte immer noch ein feuriger Verstand.
Saetan wurde übel.
Kaetien war dämonentot – in diesem verstümmelten Körper.
Jaenelle saß neben dem Hengst, an den geöffneten Leib gelehnt. Tränen rannen ihr über das Gesicht, während sie ins Leere starrte. Sie hielt Kaetiens Horn so fest umklammert, dass die Knöchel an ihren Händen weiß hervortraten.
Saetan ließ sich neben ihr in die Knie sinken. »Hexenkind? «, flüsterte er.
Es dauerte, bis sie ihn wiedererkannte. »Papa? P-Papa?« Sie warf sich in seine Arme. Aus den leisen Tränen wurde ein hysterisches Schluchzen. Sie schrammte ihm mit Kaetiens Horn beinahe den Rücken auf, als sie sich an ihn klammerte.
»Oh, Hexenkind!« Während er und die Übrigen nach Überlebenden gesucht hatten, hatte sie den ganzen Tag hier gesessen, eingeschlossen in ihren Kummer.
»Möge die Dunkelheit Erbarmen haben«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Saetan blickte über die Schulter, wobei sich jeder einzelne Muskel bemerkbar machte, als er mühsam den Kopf drehte. Lucivar. Lebendige Kraft, die zu tun vermochte, wozu er nicht in der Lage war.
Lucivar starrte Kaetiens Kopf an und schüttelte sich.
Saetan lauschte den kurzen Unterhaltungen um ihn her, die über Speerfäden geführt wurden, aber er war zu erschöpft, um zu begreifen, was genau gesprochen wurde.
Da ließ sich Lucivar auf ein Knie sinken, griff Jaenelle in das blutverkrustete Haar und zog ihren Kopf von Saetans Schulter. »Komm schon, Katze. Es wird dir besser gehen, wenn du hiervon getrunken hast.« Er presste ihr eine große silberne Taschenflasche an den Mund.
Sie würgte und spuckte, als die Flüssigkeit ihr die Kehle hinablief.
»Versuch, etwas davon zu schlucken«, sagte Lucivar. »Das hier schadet deinem Magen weitaus weniger als deinen Lungen. «
»Dieses Zeug schmilzt einem die Zähne weg«, stieß Jaenelle keuchend hervor.
»Was hast du ihr gegeben?«, wollte Saetan wissen, als sie kurz darauf reglos in seinen Armen hing.
»Eine großzügige Dosis von Kharys selbst gebrautem Alkohol. Hoppla!«
Saetan stemmte sich gegen Lucivars Brust. Eine Minute lang konzentrierte er
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