Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
sich einzig und allein auf seine Atmung. »Lucivar. Du hast gefragt, ob ich hierfür stark genug bin. Ich bin es nicht.«
Eine starke, warme Hand strich ihm zärtlich über den Kopf. »Halt durch. Sonnentänzer ist auf dem Weg hierher. Wir bringen dich ins Lager. Die Mädchen werden sich um Katze kümmern. In ein paar Minuten kannst du dich ausruhen. «
Ausruhen. Ja, er musste sich ausruhen! Die Kopfschmerzen, die seinen Schädel zu zerreißen drohten, nahmen mit jedem weiteren Atemzug zu.
Jemand nahm ihm Jaenelle aus den Armen. Er wurde halb zu der Stelle getragen, an der Sonnentänzer wartete. Starke Arme hielten ihn auf dem Rücken des Pferdes fest.
Als er wieder zu sich kam, saß er in Decken gewickelt im Lager. Neben ihm kniete Karla und drängte ihn dazu, den Hexentrank zu sich zu nehmen, den sie für ihn gebraut hatte.
Nach der zweiten Tasse ließ er sich willig durch die Gegend manövrieren und in einen Schlafsack stecken. Danach erhob er jedoch mürrisch Einwände gegen den Wirbel, den man um ihn machte, bis Karla ihn spitz fragte, wie sie es seiner Meinung nach fertig bringen sollten, Jaenelle zu umsorgen, wenn er seiner Tochter ein solch schlechtes Vorbild war.
Da er keine Antwort auf diese Frage wusste, ließ er sich von dem Hexentrank betäuben und schlief ein.
Lucivar schlürfte seinen Kaffee, dem ein Schuss Whiskey beigemischt war, und sah zu, wie Gabrielle und Morghann Jaenelle zu einem Schlafsack führten. Sie blieb stehen, ohne auf die dringenden Bitten der anderen zu hören, sich hinzulegen und auszuruhen. Der dumpfe, halb verwirrte Blick verschwand aus ihren Augen, als sie ihre Aufmerksamkeit auf Mistral richtete, der sich am Rand des Lagers aufhielt und noch immer den verletzten linken Vorderlauf nachzog.
Lucivar war dankbar, dass der kalte, gefährliche Blick in ihren Augen nicht ihm galt.
»Warum hat sich niemand um sein Bein gekümmert?«, fragte Jaenelle mit ihrer Mitternachtsstimme, während sie den jungen Hengst durchdringend anstarrte.
Mistral schnaubte und tänzelte unruhig umher. Offensichtlich wollte er nicht zugeben, dass er niemandem gestattet hatte, ihn anzufassen.
Lucivar verübelte es ihm nicht.
»Du weißt doch, wie Männer sind«, meinte Gabrielle besänftigend. »›Mir geht es gut, mir geht es gut, kümmert euch erst um die anderen.‹ Wir wollten gerade nach ihm sehen, als du eingetroffen bist.«
»Aha«, gab Jaenelle leise von sich. Ihre Augen waren immer noch unverwandt auf Mistral gerichtet. »Und ich dachte, du hättest meine Schwestern beleidigt, indem du dich geweigert hast, dich heilen zu lassen, bloß weil sie Menschen sind.«
»Unsinn«, erklärte Morghann. »Aber jetzt komm schon und geh mit gutem Beispiel voran.«
Sobald die jungen Hexen Jaenelle warm eingepackt hatten, kümmerten sie sich um Mistral.
Es würde wieder gut werden, dachte Lucivar dumpf. So musste es sein. Die Einhörner und die anderen verwandten Wesen würden nicht all ihr Vertrauen in die Menschen verlieren und sich wieder hinter die Schleier der Macht zurückziehen, die sie früher vom Rest Kaeleers abgeschirmt hatten. Katze würde dafür Sorge tragen. Und Saetan …
Beim Feuer der Hölle. Bis zum heutigen Tag hatte er sich nie viele Gedanken über die Unterschiede zwischen einem Hüter und den Lebenden gemacht. Auf der Burg waren diese Unterschiede kaum wahrnehmbar.
Er hatte nicht geahnt, dass starkes Sonnenlicht derartige Schmerzen verursachen konnte, und er war sich auch nicht bewusst gewesen, wie viele Jahre der Höllenfürst schon in den Reichen verbracht hatte. Oh, er wusste , wie alt Saetan war, aber heute hatte sein Vater das erste Mal alt gewirkt.
Natürlich fühlten sich die anderen körperlich und geistig ebenfalls sehr erschöpft; doch daran konnte man es nicht messen.
Khary ging neben ihm in die Hocke und goss ein wenig Alkohol in Lucivars ohnehin schon hochprozentigen Kaffee. »Etwas beunruhigt unsere vierbeinigen Brüder«, flüsterte er. »Etwas anderes.« Er winkte mit der Hand in Richtung der reglosen weißen Leichen, die in Sichtweite lagen.
Den Einhörnern war es gleichgültig gewesen, was mit den Menschenleichen geschah – außer, dass sie darauf bestanden hatten, dass die Eindringlinge nicht in ihrem Land verblieben – , aber sie hatte sich leidenschaftlich dagegen ausgesprochen, die toten Einhörner fortzuschaffen. Die Lady würde sie ins Land singen, sagten sie.
Was immer das heißen mochte.
Doch während die verletzten Stuten und Fohlen auf diese
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