Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
treu ergeben waren – und in gleichem Maße konnten sie wild und erbost sein, wenn sie das Gefühl hatten, ihre Treue sei verraten worden.
Als sie letztes Mal versucht hatte, die Hohepriesterin aller Reiche zu werden, war ihr der eine oder andere Patzer unterlaufen: Fehler, die den Krieg zwischen Terreille und Kaeleer vor 50 000 Jahren zu ihren Ungunsten entschieden hatten. Ein Irrtum war gewesen, die Stärke der Blutleute zu unterschätzen, die im Schattenreich hausten; der andere, den verwandten Wesen nicht genügend Beachtung zu schenken.
Nachdem sie sich von dem Schock erholt hatte, dämonentot zu sein, war eine ihrer ersten Handlungen gewesen, für die Ausrottung der verwandten Wesen in Terreille zu sorgen. Manchen gelang es, sich versteckt zu halten und auf diese Weise zu überleben, doch nicht vielen von ihnen. Aufgrund der geringen Anzahl ihrer eigenen Artgenossen mussten sie
gezwungen gewesen sein, sich mit Landentieren zu paaren, und im Laufe der Zeit hatte das vermutlich ein paar Tiere hervorgebracht, die zwar beinahe von Blut waren, doch niemals auch nur annähernd stark genug, um ein Juwel tragen zu können.
Die wilderen Arten in Kaeleer hatten sich nach dem Krieg jedoch in ihre eigenen Territorien zurückgezogen und Schutzzauber gewoben, um die Grenzen zu sichern. Mit der Zeit hatten diese Schutzmaßnahmen zwar so sehr an Stärke eingebüßt, dass es möglich war, die Grenzen unbeschadet zu passieren, doch in der Zwischenzeit waren die verwandten Wesen für die Menschen zu nichts weiter als bloßen Mythen geworden.
Hekatah ging in dem Zimmer auf und ab. Beim Feuer der Hölle! Wie lange konnte es dauern, bis zwei erwachsene Männer einen Jungen eingefangen hatten?
Eine Minute später hielt sie inne und strich erneut ihren Umhang glatt. Sie durfte vor dem Jungen nicht die geringste Spur von Ungeduld zeigen, denn das könnte ihn erst recht halsstarrig werden lassen. Sie streichelte den Pelzbesatz, was sie auf der Stelle ruhiger werden ließ.
Während sie im Laufe der Jahrhunderte darauf gewartet hatte, dass Terreille erneut zu einem wertvollen Schatz heranreifte, hatte sie dem Territorium Kleinterreille geholfen, mit dem Mutterland in Verbindung zu bleiben. Doch erst in den letzten Jahren war es ihr dank Lord Hobarts Ehrgeiz gelungen, in Glacia festen Fuß zu fassen.
Ihre Wahl war darauf gefallen, weil es ein nördliches Territorium war, dessen Bewohner sich relativ leicht von den Angehörigen des Blutes in anderen Territorien isolieren ließen. Es gab dort Hobart, einen Mann, dessen Ambitionen seine Fähigkeiten bei weitem überstiegen, sowie einen Dunklen Altar. Zum ersten Mal seit langem stand ihr also ein Tor zur Verfügung, durch das sorgfältig ausgewählte Männer nach Kaeleer schlüpfen konnten, um auf verlockenden Beutefang zu gehen.
Es war nicht das einzige Spielchen, das sie in Kaeleer spielte,
doch die anderen verlangten Zeit und Geduld – und die Sicherheit, dass ihren Zielen diesmal nichts im Weg stehen würde.
Dies war auch der Grund, weshalb sie sich hier auf der Insel der kindelîn tôt befand.
Als bereits Zweifel an der treuen Ergebenheit der ausgesandten Dämonenwächter in ihr aufstiegen, kehrten sie endlich zurück, einen sich grimmig zur Wehr setzenden Jungen in ihrer Mitte. Wild fluchend drückten sie ihn gegen die breite Seite eines hohen Felsblocks.
»Tut ihm nicht weh«, fuhr Hekatah die beiden Wachen an.
»Ja, Priesterin«, erwiderte einer der Wächter verdrossen.
Hekatah musterte den Jungen, der sie im Gegenzug ebenfalls anstarrte. Char, der junge Krieger, der die kindelîn tôt anführte. Es war nicht schwer zu erahnen, auf welche Weise er das Reich der Lebenden verlassen hatte. Wie war es ihm gelungen, so viel seines Körpers vor den Flammen zu bewahren? Er musste für ein Kind seines Alters ausgesprochen gut in der Kunst bewandert gewesen sein. Das hätte ihr bereits vor sieben Jahren klar sein müssen, als sie das erste Mal mit ihm zu tun bekam. Nun, die frühere Fehleinschätzung ließ sich leicht korrigieren.
Langsam näherte sich Hekatah dem Jungen und genoss sein Misstrauen, das ihr entgegenschlug. »Ich will dir nichts Böses, Krieger«, gurrte sie. »Ich benötige lediglich deine Hilfe, da ich weiß, dass Jaenelle eine der kindelîn tôt ist. Ich möchte sie sehen.«
Was von Chars Lippen übrig war, verzog sich zu einem boshaften Lächeln. »Nicht alle kindelîn tôt befinden sich auf dieser Insel.«
In Hekatahs goldenen Augen glomm Wut auf. »Du
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