Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
Als Jaenelle ihr Zimmer in dem Wachhaus verlassen hatte, um draußen in der Nähe des Baches zu sitzen, waren ihr Lucivar, Chaosti und ein halbes Dutzend Wächter der Dea al Mon gefolgt und eilig im Wald verschwunden. Er konnte keinen der Männer sehen, wusste aber, dass sie ganz in der Nähe waren und alles mitbekamen, was sich zutrug.
»Hier«, sagte er, indem er ihr eine Tasse reichte. »Es ist bloß Kräutertee. Nichts Besonderes.« Als sie sich bei ihm bedankte,
ließ er die Hände in die Hosentaschen gleiten. Ein Gefühl der Unsicherheit befiel ihn. »Ist alles in Ordnung?«
Jaenelle zögerte. »Ich habe getan, weswegen ich hergekommen bin.« Sie trank einen Schluck Tee, spähte in die Tasse und warf dann ihm einen Blick zu. »Was ist da drin?«
»Ein bisschen hiervon und ein wenig davon.«
»So, so.«
Wenn irgendeine andere Frau in diesem zweifelnden Tonfall mit ihm gesprochen hätte, wäre er beleidigt gewesen. Doch die Konzentration – und die Spur von Frustration – in ihren Augen während des nächsten Schlucks ließen ihn ahnen, dass ihre Zweifel nicht dem Gebräu an sich galten, sondern seinem abwehrenden »Nichts Besonderes«.
Sie betrachtete ihn forschend. »Du wärst wohl nicht bereit, das Rezept für diesen Trank gegen eines von meinen einzutauschen? «
Da ihr das Getränk derart gut schmeckte, war die Versuchung groß, abzulehnen, damit er der Einzige blieb, der es ihr zubereiten konnte. Doch im nächsten Moment kam ihm in den Sinn, dass ihm viel mehr daran lag, Zeit mit ihr zu verbringen, während sie die Köpfe über einem Tisch voll Kräutern zusammensteckten.
Daemon lächelte. »Ich kenne ein paar Mischungen, die dich vielleicht interessieren dürften.«
Jaenelle erwiderte das Lächeln, leerte dann die Tasse und erhob sich. »Ich möchte bald nach Amdarh aufbrechen«, sagte sie auf dem Rückweg zu dem Wachhaus. »So können wir uns noch heute Abend dort einrichten.«
Trotz Lucivars und Chaostis Warnung fiel es Daemon schwer, ihr nicht vorzuschlagen, zuerst etwas zu essen. Sie hatten ihm erklärt, dass ihre Laune nach dem Treffen sich gewiss auf ihren Appetit auswirken würde. Es hatte nur eines einzigen Blicks auf ihr Gesicht bedurft, als sie aus ihrem Zimmer getreten war, um zu erkennen, dass jeglicher Vorschlag in dieser Hinsicht zwecklos war.
»Ich glaube, Amdarh wird dir gefallen«, meinte Jaenelle.
»Es ist eine schöne …« Sie blieb stehen und schnüffelte. »Ist das Eintopf?«
»Ich glaube schon«, antwortete Daemon zuvorkommend. »Lucivar und Chaosti haben ihn gekocht. Er sollte gerade fertig sein.«
»Sie haben Wildholzeintopf gekocht?«
»Soviel ich weiß, heißt das Gericht so.«
Jaenelle warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Du bist bestimmt hungrig, oder?«
Es wäre ihm nur mit Mühe gelungen, seinen Einsatz zu verpassen. »Ich bin tatsächlich hungrig. Meinst du, wir könnten die Abreise nach Amdarh bis nach dem Abendessen verschieben?«
Sie wandte den Kopf ab, doch nicht so weit, dass er nicht hätte sehen können, wie Jaenelle sich mit der Zunge über die Lippen leckte. »Es dauert ja nicht so lange, eine Schüssel Eintopf zu essen. Oder auch zwei«, fügte sie hinzu und eilte in Richtung des Wachhauses.
Daemon machte größere Schritte, um sich nicht abhängen zu lassen. Wie hart würden sich die Männer ihre Essensportionen wohl erkämpfen müssen?
6 Kaeleer
Kartane stürmte in Jorvals Wohnzimmer. »Lebt dieses Luder noch?«, wollte er ungehalten wissen.
Jorval eilte auf ihn zu, während ein Mann, den Kartane noch nie zuvor gesehen hatte, am Tisch sitzen blieb und ihn anstarrte.
»Lord Kartane«, meinte Jorval besorgt. »Wenn ich gewusst hätte, dass die Heilung nur so kurze Zeit in Anspruch nehmen würde, hätten wir mit dem Abendessen gewartet …«
»Zur Hölle mit dir, beantworte mir gefälligst meine Frage! Ist sie am Leben?«
»Lady Angelline? Ja, natürlich ist sie am Leben. Warum fragst du? Hat sie sich nicht blicken lassen?«
»Sie hat sich blicken lassen«, erwiderte Kartane unwirsch.
»Ich verstehe nicht«, sagte Jorval in klagendem Tonfall. »Sie ist die beste Heilerin im ganzen Reich. Wenn sie …«
»Sie ist diejenige, die mir das hier angetan hat!«
Jorvals Entsetzen machte rasch einem verschlagenen Gesichtsausdruck Platz. »Ich verstehe. Bitte komm und setz dich zu uns. Es ist nicht zu übersehen, dass du einen aufreibenden Nachmittag hinter dir hast. Vielleicht werden dir etwas gutes Essen und angenehme Gesellschaft
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