Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
lassen, und als er es ablehnte, selbst ebenfalls zu gehen. Oh, er war hinaus auf den Balkon getreten, doch niemand war in der Lage gewesen, seine Gegenwart zu vergessen!
Es war offensichtlich gewesen, dass sie so gekränkt darüber waren, wie Wilhelmina selbst erleichtert war; aber sie waren zweifellos froh gewesen, sie zu sehen. Alle hatten sie umarmt und ihr gesagt, wie hübsch sie geworden sei, und welch große Sorgen sie sich um sie gemacht hätten, und wie sehr sie sie vermisst hätten …
Und dann meinte Alexandra, sie solle keine Angst haben. Sie würden einen Weg finden, um sie aus den vertraglichen Bindungen zu befreien und sie von diesem Ort und diesen Leuten fortzuschaffen. Sie hatte versucht, ihnen zu erklären, dass sie vorhatte, den Vertrag zu erfüllen, und dass der Höllenfürst und Prinz Yaslana nicht die Ungeheuer waren, die Alexandra in ihnen sehen wollte.
Sie hörten ihr nicht zu, genauso, wie sie ihr vor Jahren nicht zugehört hatten, als ihr Vater, Robert Benedict, nach Jaenelles Verschwinden versucht hatte, sich an ihr zu vergehen – ein paar Monate, nachdem ihn die Krankheit befallen hatte, an der er letzten Endes gestorben war. Sie war fortgelaufen, weil sie Angst gehabt hatte, dass eines Tages niemand ihre Schreie hören oder dass man sie ignorieren würde, weil sie wie Jaenelle zu einem ›schwierigen‹ Kind geworden war.
Sie hörten nicht zu. Denn sie waren sich so sicher, dass sie Recht hatten und wussten, was das Beste für sie war. Sogar
Philip. Er sagte ihr wieder und wieder, dass nun alles in Ordnung sein würde, dass Robert tot sei, und von daher alles gut sei. Doch das würde es nicht sein, das konnte es gar nicht, denn sie hielten sie auf irgendeine Weise für ›geschädigt‹. Jeder Blick, den sie ihr zuwarfen, war von dieser Überzeugung gefärbt. Und weil sie an Philip hing und wusste, dass es ihn schmerzen würde, konnte sie ihnen nicht sagen, warum sie wirklich hier bleiben wollte.
Ihre Angst, Alexandra und ihr Anhang könnten sie womöglich tatsächlich mit sich nehmen, nachdem es sie solche Anstrengungen gekostet hatte, nach Kaeleer zu gelangen, nahm stetig zu, bis sie vom Sofa aufsprang und schrie: »Nein! Ich will nicht!«
Lucivar war im Zimmer und eilte mit ihr davon, noch bevor einer der anderen sich bewegen konnte.
Doch es gelang ihr nicht, das Zittern unter Kontrolle zu bringen, und die Angst fraß sie bei lebendigem Leib auf.
Da legte Lucivar die Hand auf ihre Schulter und brachte sie dazu, stehen zu bleiben. Kurz darauf rief er eine Taschenflasche herbei. Er ließ den Verschluss verschwinden, packte Wilhelmina am Hinterkopf und hielt ihr die Flasche an die Lippen.
»Wenn du weiter so zitterst, wirst du noch hinfallen«, sagte er ärgerlich. »Trink einen Schluck, um deine Nerven zu beruhigen. «
»Ich will kein Beruhigungsmittel!« Wilhelmina versuchte, sich ihm zu entziehen. Die Verzweiflung in ihrem Innern wurde immer größer. »Es ist alles in bester Ordnung.«
»Alles außer der Tatsache, dass du panische Angst hast, was nicht gerade gut für dich ist.« Lucivar hielt inne und musterte sie. »Es ist kein Beruhigungsmittel, Wilhelmina«, fuhr er leise fort. »Es ist Kharys Selbstgebrauter. Ein Schluck wird dir helfen, dich zu entspannen – und dich davon abhalten, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Jetzt halte dir die Nase zu und trink.«
Sie hielt sich nicht die Nase zu, aber sie trank den Schluck, den er ihr verabreichte.
Golden.
Die Flüssigkeit glitt über ihre Zunge, versammelte sich kurzzeitig in ihrem Magen und ergoss dann Sommerhitze in all ihre Glieder.
Als er ihr einen zweiten Schluck anbot, nahm sie ihn bereitwillig an. Die herrliche Hitze ließ ihre Angst dahinschmelzen, und in ihrem Innern entstand eine sinnliche Wärme. Wenn sie noch einen Schluck nähme, würde sie vielleicht sogar tapfer sein – wunderbar tapfer und wild.
Doch Lucivar bot ihr keinen weiteren Schluck an. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass er sie losgelassen hatte, doch nun hatte er den Verschluss in der einen und die Flasche in der anderen Hand und wollte ihr die köstliche Hitze wieder wegnehmen.
Sie griff nach der Flasche und rannte den Gang entlang. Bei der nächsten Biegung sauste sie um die Ecke und trank so viel wie möglich, bevor Lucivar sie einholte und ihr die Flasche entriss.
Sie lehnte an der Wand und lächelte ihn an. Es freute sie immens, als er zwei Schritte zurückwich und sie argwöhnisch betrachtete.
Lucivar schnüffelte an der
Weitere Kostenlose Bücher