Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
Blick. »Das hat sie eben, alter Junge. Sie hat ihn in Kaeleer willkommen geheißen. Mehr braucht niemand zu wissen.«
»Hier entlang«, meinte Marian und winkte Wilhelmina Benedict freundlich zu sich, während sie Surreals Tunika mit den weiten Ärmeln und ihre Hosen musterte. »Was trägst du unter der Tunika?«
Surreal gab sich Mühe, nicht barsch zu klingen. Marian schien ihr nicht die Art Frau zu sein, die sich für die Unterwäsche einer ehemaligen Hure interessierte. »Warum?«
»Lucivar wird darauf bestehen, dass ihr euch für die Unterrichtsstunde auszieht.«
»Ausziehen?«, fragte Wilhelmina. »Vor all den Männern?«
»Ansonsten behindert eure Kleidung euch in euren Bewegungen«, erklärte Marian gutmütig. »Außerdem werdet ihr euch danach etwas Trockenes anziehen wollen.«
»Dann gehe ich einmal davon aus, dass ich schwitzen werde«, sagte Surreal. Sie betrachtete Wilhelmina und fragte sich, ob diese Art Training eine gute Idee war. Die junge Frau wirkte ausgesprochen blass und verängstigt genug, um jeden Moment einen Nervenzusammenbruch zu erleiden.
»Ich glaube nicht, dass er allzu hart mit den Anfängern umspringen wird, aber du …« Marians goldene Augen wanderten zu Surreals spitzen Ohren. »Du bist eine Dea al Mon. Vielleicht wird er dir mehr abverlangen, um herauszufinden, was du schon alles kannst.«
»Hab ich ein Glück«, murmelte Surreal leise vor sich hin,
als sie den Rasen überquerten und auf die anderen Frauen zugingen, die sich bereits am Rande des Übungskreises versammelt hatten.
Marian lächelte. »Meine erste Waffe war die Bratpfanne.«
»Klingt gefährlich!« Surreal erwiderte das Lächeln.
»Ich hatte etwa vier Monate als Lucivars Haushälterin gearbeitet. An jenem Morgen hatte mein Mondblut begonnen, und es ging mir nicht sonderlich gut. Im Nachhinein betrachtet muss er die vorangegangenen Mondzeiten wohl eisern die Zähne zusammengebissen haben, um nichts zu sagen. Aber an jenem Morgen fing er an, mich zu bemuttern und mir zu raten, mich zu schonen. In meinem Ohren klang das, als wolle er mich darauf hinweisen, dass ich meine Arbeit nicht richtig erledigte. Ich warf mit einem Topf nach ihm. Nun, nicht wirklich nach ihm. Ich wollte ihn nicht treffen, sondern ich war nur so aufgebracht, dass ich mit etwas werfen musste. Er donnerte etwa einen halben Meter von der Stelle, an der Lucivar stand, gegen die Wand. Er sah den Topf eine Minute lang an, hob ihn dann auf und ging nach draußen. Ich konnte hören, wie er ihn warf, und ich dachte, er würde den Topf bestrafen, anstatt mich mit den Fäusten zu bearbeiten, wie manch anderer Eyrier es getan hätte. Kurz darauf kam er brummelnd ins Haus zurück, holte sich eine der Bratpfannen und ging wieder nach draußen. Ein paar Minuten später zerrte er mich ins Freie. Er meinte, ein Topf habe nicht die nötige Form, aber mit einer Bratpfanne würde es funktionieren, wenn man sie richtig werfen würde. Ich verbrachte zwei Monate mit Bratpfannenweitwurf, bis Lucivar meine Würfe für gut genug erachtete.« Die Erinnerung ließ Marian grinsen.
»Und was ist seiner Meinung nach gut genug?«, wollte Surreal wissen.
Nun sah Marian nicht mehr belustigt aus. »Wenn man in der Lage ist, dem Gegner bei neun von zehn Würfen die Knochen zu brechen.«
Einen Augenblick lang starrte Surreal sie nur an. Dann überschlugen sich ihre Gedanken. Sie war eine verflucht gute
Attentäterin. Inwieweit würden sich diese Fähigkeiten unter Lucivars Führung noch vervollkommnen lassen?
Sobald sie den Übungskreis erreicht hatten, ließ Wilhelmina sich zurückfallen. Surreal stieß sie bis ganz nach vorne. Als ein eyrischer Krieger Surreal anknurrte, weil sie ihm einen Hieb mit dem Ellbogen versetzt hatte, fauchte sie zurück und stellte zu ihrer Befriedigung fest, dass er ihr Platz machte.
Als sie sich umsah und Daemon erblickte, stockte ihr kurzzeitig der Atem. Er sah relativ gelassen aus, wie er dort mit einer Kaffeetasse in der Hand dastand, aber sein Gesicht wies die angespannte Miene auf, die sie schon in der Kutsche auf der Anreise an ihm gesehen hatte. Es war nicht so schlimm, aber es war auch nicht gut.
Da begann Lucivar zu sprechen, und sie verdrängte ihre Sorge um Daemon vorübergehend.
»Es gibt gute Gründe, weswegen eyrische Männer die Krieger sind«, sagte Lucivar, der den Blick über die Frauen hinweggleiten ließ, während er langsam an der Reihe, die sie gebildet hatten, auf und ab ging. »Wir sind größer, kräftiger, und uns
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