Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
die langen Stunden bis zum Morgengrauen vergehen würden.
3
Nervös beobachtete Marian, wie Teig von dem Holzlöffel in die Schüssel zurücktropfte, während sie den Stimmen lauschte, die in die Küche drangen. Sie befürchtete, dass selbst das leise Geräusch, welches das Umrühren mit einem Löffel verursachte, die Aufmerksamkeit der anderen auf sie lenken könnte. Allerdings war es nicht sehr wahrscheinlich, dass jemand auf Geräusche in der Küche achten würde, wenn sie fortfuhr, das Frühstück zuzubereiten. Niemand in ihrer Familie nahm ihre Anwesenheit wahr, wenn nicht gerade die Kunst einer Haushexe gefragt war. Etwas an dem verzweifelten Zorn, der in der schmeichlerischen Stimme ihres Vaters mitschwang, und dem angespannten Ärger in der Stimme ihrer Mutter ließ Marian die Flügel beschützerisch eng an den Körper anlegen. Am liebsten hätte sie sich in einem versteckten Winkel verkrochen.
»Beim Feuer der Hölle, Weib!«, sagte ihr Vater mit erhobener Stimme. »Es ist wirklich nicht zu viel verlangt! Jemand muss diesen Botengang für mich erledigen, und zwar auf der Stelle.«
»Warum kann es denn nicht bis nach dem Frühstück warten? Eines der Mädchen …«
»Nein!« Eine Pause. »Einer Priesterin oder einer Heilerin mitten in der Ausbildung kann man nicht wegen so einer Lappalie
wertvolle Lernzeit stehlen. Außerdem macht Marian nichts Wichtiges. Ihre Abwesenheit wird gar nicht auffallen.«
Marian presste die Lippen aufeinander, während sie auf den Biskuitteig blickte, der backfertig war. Sie würde es nicht zulassen, dass die Worte ihres Vaters sie an diesem Morgen trafen. Sie würde es nicht zulassen! Abgesehen davon hatte sie diese Meinung in der einen oder anderen Form schon ihr ganzes Leben zu hören bekommen; vor allem in den letzten paar Jahren, seitdem ihre jüngeren Schwestern mit ihrer Ausbildung begonnen hatten. Eine Haushexe war von Vorteil, doch ihre Fähigkeiten trugen nicht zum Status einer nichtaristokratischen Familie bei, deren Vater den Ehrgeiz hegte, mehr als der Wächter im Fünften Kreis einer Königin mit hellen Juwelen zu sein.
Sie hörte ihre Mutter aufgebracht sagen: »Also gut.« Marian war wieder dabei, den Teig umzurühren, als Dorian die Küche betrat. Erst zögerte ihre Mutter, dann kam sie rasch auf den Tisch zu, an dem Marian arbeitete.
»Du hast es wohl gehört«, sagte Dorian.
»Es ließ sich nicht vermeiden«, erwiderte Marian, die sich weiterhin auf den Teig in der Schüssel konzentrierte.
Mit einem Schnauben riss Dorian ihrer Tochter die Schüssel und den Löffel aus den Händen. »Na, dann geh schon. Erledige diesen Botengang, an dem ihm dermaßen viel liegt, und komm so schnell wie möglich zurück.«
»Um mehr Dinge zu tun, die unwichtig sind?« Marian hörte selbst voll Überraschung, wie der Unmut, der sich so lange Zeit in ihr angestaut hatte, ihre Worte färbte.
Zornesröte stieg Dorian ins Gesicht, doch sie sprach weiterhin mit leiser Stimme: »Schlag ja nicht diesen Ton mir gegenüber an, Mädchen. Ich werde es nicht zulassen, dass du frech wirst und dich aufspielst.«
Marian schluckte den Kloß in ihrer Kehle. Ja, das hier hatte sich nun schon lange angebahnt, und sie konnte es ebenso gut endlich sagen. »Wenn man mich schon wie eine Haushaltshilfe behandelt anstatt wie ein Familienmitglied, sollte ich für meine Arbeit wenigstens bezahlt werden.«
Dorian ließ den Löffel auf den Tisch fallen. Sie holte mit der Hand aus. Dann gewann sie ihre Fassung so weit wieder, dass es ihr gelang, die Hand auf dem Tisch abzustützen. »Du hast ein Dach über dem Kopf und Essen auf deinem Teller. Du solltest nicht dafür bezahlt werden, dass du mir hilfst, diese Dinge zur Verfügung zu stellen.«
»Meine Schwestern erhalten dieselben Dinge - und geben außerdem noch Geld aus -, ohne auch nur einen Finger zu krümmen.«
»Marian …«
»Warum dauert das denn so lange?«, dröhnte die Stimme ihres Vaters aus dem Nebenzimmer.
»Wir sprechen uns später noch«, sagte Dorian.
Marian hasste Auseinandersetzungen, und es fiel ihr schwer, über einen längeren Zeitraum erbost zu sein. Letzten Endes würde sie noch mehr arbeiten müssen, als Strafe für ihren Trotz - und nichts würde sich ändern.
Als sie durch die Küchentür ging, erhob ihr Vater die Hand, als wolle er sie schlagen, doch sie huschte eilends an ihm vorbei und hielt sich auf dem Weg aus dem Horst ein gutes Stück vor ihm. Draußen holte er sie ein und packte sie so fest am Arm, dass sie
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