Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
nur mit diesem Blick an, mit dem er Löcher in Knochen brennen könnte, und warf mich aus seinem Arbeitszimmer. Seitdem hat er kein Wort mehr über die Angelegenheit verloren.«
»Armer Papa.« Jaenelle seufzte. »Am besten ziehe ich mich morgen wohl besonders gut an, um es wieder gutzumachen.«
»Mach das mal, denn wenn ich ein Kleid für ihn anziehe, scheint ihn das nicht sonderlich zu freuen.«
Sie sah ihn an und heulte vor Lachen laut auf - woraufhin hinter dem Häuschen ein wütendes Brüllen erklang.
Großartig! Jeden Augenblick würde er einem verblüfften Kriegerprinzen aus der Katzenfamilie zu erklären versuchen, warum ihre Königin derartig eigenartige Geräusche von sich gab.
»Bis morgen also!« Er sprang von der Veranda, breitete die Flügel aus und schwang sich in die Lüfte.
»L-Lucivar!«
Nein. Das war nur gerecht. Er hatte es allein mit Saetan wegen des Floßes zu tun bekommen, nun konnte sie dem »Kätzchen« ihr Verhalten erklären.
Als er nach Hause zurückkehrte, ließ er sich von Roxies mentaler Signatur, die seinem Horst noch anhaftete, nicht die Laune verderben. Morgen Abend würden ohnehin all seine Probleme mit dem weiblichen Geschlecht gelöst sein.
6
Als sie den Korb neben den Holzhaufen stellte, konnte Marian spüren, wie ihre Rückenmuskulatur sich widersetzte und sich zu verkrampfen begann. Schon wieder. Sie betrachtete den Holzhaufen, hob eine Hand und bediente sich der Kunst, um die Scheite in den Korb zu legen.
Luthvian würde sie kritisieren und verspotten. Sie würde - zum wiederholten Male - sagen, dass es von Faulheit zeugte, wenn man die Kunst für einfache Tätigkeiten einsetzte, doch das war Marian egal. Es war nicht faul, sich der Kunst zu bedienen, anstatt Muskeln zu strapazieren, sondern praktisch - zumal sich ihre Rückenmuskulatur an diesem Tag schon einmal völlig verkrampft hatte, während sie den Küchenboden geschrubbt hatte.
Es war eigenartig, wie fürsorglich Luthvian gewesen war, als sie in die Küche kam und Marian, die nicht von alleine aufstehen konnte, auf dem Fußboden vorgefunden hatte. In dem Augenblick war sie ganz Heilerin gewesen: geschickt und effizient. Doch die leisen Worte, die sie geflüstert hatte, während sie den Schmerz linderte, waren Marian mittlerweile schon vertraut gewesen - die unbrauchbaren Flügel waren schuld an ihren Rückenschmerzen. Marian könne nur völlig genesen, wenn man sie entfernte.
Da sie Luthvian nicht erlaubte, ihr die Flügel zu entfernen, konnte sie nichts gegen die Hausarbeit sagen, von der sie die Rückenschmerzen bekam. Sie wusste, dass die Wunden verheilt waren, doch wenn die Schmerzen wiederkamen, konnte sie die Augen schließen und in Gedanken jede einzelne Stichwunde nachfahren, welche die Krieger ihr zugefügt hatten.
Marian biss die Zähne zusammen und griff nach dem Henkel des Korbs.
Der Korb verschwand, bevor sie ihn berühren konnte. Einen Augenblick später erschien er wieder, auf Hüfthöhe, doch außerhalb ihrer Reichweite. Dann fiel er polternd zu Boden.
»Vielleicht habe ich mich nicht genau genug ausgedrückt,
als ich meinte, du sollst dich ein paar Tage schonen.« Die Stimme ließ den Ärger erahnen, der unter den sanft gesprochenen Worten lag.
Marian drehte sich um. Jaenelle stand ein paar Schritte von ihr entfernt.
»Lady Angelline.« Marian musste hart schlucken. Sie schaffte es nicht, den Blick von den saphirblauen Augen zu lösen. Außerdem hatte sie das Gefühl, als werde sie am ganzen Körper leicht von Fingerspitzen abgetastet.
»Du hast dir keine bleibenden Schäden zugefügt«, sagte Jaenelle. »Aber …«
»Marian!« Luthvians Stimme peitschte durch die offene Küchentür. »Hast du vor, den ganzen Abend mit ein paar Stückchen Holz zu vertrödeln? Du hast noch etliche Arbeiten zu erledigen.«
Etwas Tödliches blitzte in Jaenelles Augen auf, doch es war so schnell wieder verschwunden, dass Marian sich nicht sicher sein konnte, es tatsächlich gesehen zu haben.
»Pack deine Sachen«, sagte Jaenelle leise. »Du gehst weg von hier.«
»Aber …«
» Sofort. «
Dieser Stimme würde sie gewiss nicht widersprechen. Sie bewegte sich, so schnell ihre steifen Beine es ihr erlaubten. Dennoch war sie noch nicht weit gekommen, als Luthvian aus der Küchentür ins Freie trat.
»Beim Feuer der Hölle, Mädchen«, fuhr Luthvian sie an. »Wo bleibt das Holz? Kannst du denn gar nichts …« Einen Augenblick erstarrte sie. »Guten Abend, Jaenelle.«
»Guten Abend, Luthvian.«
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