Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
müssen.
»Gibt es nicht sonst noch etwas, über das du mit mir sprechen wolltest?« Saetan griff nach einem neuen Bücherstapel.
Jene winzige Spur Verzweiflung, das leise unterschwellige Flehen machte es Daemons Vater möglich, die Frage zu stellen. Doch er wandte den Kopf ab und blickte nicht seinen Gesprächspartner an, sondern die Wand.
»Als Lustsklave in Terreille bin ich jeden Morgen aufgewacht und habe mich gefragt, wen ich an diesem Tag umbringen würde, oder welches niederträchtige Spielchen ich spielen müsste, oder ob ich es wäre, der umgebracht würde.
Jeden wachen Augenblick lebte ich auf Messers Schneide, und ich wetzte mein eigenes Temperament daran. Ich habe mir den Beinamen Sadist redlich verdient.«
»Und was ist jetzt das Schlimmste, dem du dich zu stellen hast?«
»Sex am Morgen.«
Saetan ließ die Bücher fallen.
Daemon zuckte zusammen und hoffte, dass keiner der Bände Schaden genommen hatte.
Nachdem Saetan sich um die Bücher gekümmert hatte, hielt er einfach inne.
»Ich bin dein Vater«, sagte er leise. »Und ich bin Jaenelles Adoptivvater. Von daher gibt es also Dinge in eurem Eheleben, in die ich lieber nicht eingeweiht werden möchte, wenn es nicht unbedingt erforderlich sein sollte. Aber sag mir eins: Brauchst du eine Heilerin?«
Die Frage überraschte Daemon. »Nein.«
»Mir ist nicht entgangen, dass du deinen Rücken schonst.«
»Das ist nicht wegen Jaenelle, sondern wegen der verdammten Katze. Sie hat Kaelas angebrüllt, und er hat die Fassung verloren.«
Saetan seufzte; ein leises Geräusch, in dem unüberhörbar Erleichterung mitschwang. »Kaelas ist ein Kriegerprinz mit rotem Juwel, der dreihunderfünfzig Kilo und ein ausgeprägtes Raubtiertemperament auf die Waage bringt. Ich finde es immer wieder verblüffend, dass Jaenelle ihn nur ›böses Kätzchen‹ zu nennen und ihm mit den Fingerspitzen einen Klaps zu versetzen braucht, um ihn in ein hilfloses Häufchen Elend zu verwandeln.«
»Sie hat ein wenig mehr als das getan. Sie hat die Katze angebrüllt .«
»Warum?«
»Er hat sie aufgeweckt.«
Erneutes Schweigen. »Du bist mit Hexe im Bett gewesen?«
Ernsthafte Sorge klang in seiner Stimme mit. Der Haushofmeister sprach mit dem Gefährten der Königin. Es war allgemein bekannt, dass Jaenelle schon schlecht gelaunt
war, wenn man sie alleine aufwachen ließ. Wurde sie jedoch jäh aufgeweckt, war Hexe die Seite ihres Wesens, die zuerst erwachte – und Hexe erwachte unversöhnlich.
»Dann lass mich dich erneut fragen, Prinz«, sagte der Höllenfürst. »Brauchst du eine Heilerin?«
Daemon schüttelte den Kopf.
»Und dein Rücken?«
Er hob eine Hand und ließ sie dann wieder fallen. »Bloß ein blauer Fleck. Ich habe am Schreibtisch gesessen. Er ist zu schnell hereingekommen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Kaelas komplett den Verstand verlieren und versuchen würde, auf meinen Schoß zu klettern, während ich in dem Sessel saß!«
»Du hast einen Schutzschild aufgebaut?«
»Hat mich davor bewahrt, aufgespießt zu werden«, erwiderte Daemon trocken. Ansonsten hatte es ihm nicht viel geholfen. Er hatte, ein wenig betäubt, auf dem Fußboden des Arbeitszimmers gelegen; zwischen dem kaputten Sessel und der verängstigten Raubkatze eingeklemmt, deren gewaltige Pranke ihm – mit dankenswerterweise eingezogenen Krallen – den Kopf tätschelte, während Kaelas’ Gedanken auf ihn einstürmten. Die Lady war wütend. Daemon war das Männchen der Lady. Daemon würde alles wiedergutmachen.
In diesem Moment war Daemon voll und ganz damit beschäftigt gewesen, Luft zu bekommen.
Saetan rieb sich das Kinn. »Das war ein schöner Sessel. Allerdings nicht für solch ein Gewicht geschaffen.«
So wenig wie ich , dachte Daemon.
»Der Name des Handwerkers, der ihn angefertigt hat, steht in den Haushaltsbüchern.«
»Ich werde Ersatz bei ihm bestellen.«
Erneutes Schweigen. Dann sagte Saetan: »Und sonst?«
»Ich mag mein jetziges Leben. Wirklich. Ich mag es, morgens aufzuwachen und zu wissen, dass der Tag voller kleiner Herausforderungen und Freuden sein wird. Ich mag es, dass ich mich einen Teil des Tages um die Familienbesitztümer
und die Finanzen kümmere wie auch um meine eigenen Geschäfte, und dass ich mich einen Teil des Tages Dhemlan widme. Und während all dessen ist da der Umstand, dass ich mit Jaenelle zusammen bin. Da ist das Wunder und die Freude, mit Jaenelle zusammen zu sein.«
»Aber?«
»Aber manchmal frage ich mich, ob ich die unerbittliche
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