Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
hatte reagiert, ohne nachzudenken. Und der Blick in Lucivars Augen, kurz bevor er die Tür geschlossen hatte, hatte ihm gezeigt, welch großen Irrtum er beging. Er würde es wiedergutmachen. Am Abend würde er im Horst vorbeischauen und es wiedergutmachen.
Wie das andere Problem zu lösen war, wusste er hingegen nicht recht. Spukhaus. Die Worte waren zu einer spitzen Gräte geworden, die ihm in der Kehle steckte; eine Beleidigung all der Dinge, an die er glaubte. Eine Beleidigung, die von seiner Königin ausging.
Ihm blieben zwei Möglichkeiten. Er konnte die Gräte hinunterschlucken oder er konnte sie aushusten. So oder so würde es schmerzen. Er musste sich nur entscheiden, mit welcher Möglichkeit er leben konnte.
Er stieß sich von der Tür ab und kehrte in dem Moment
an den Ebenholzschreibtisch zurück, in dem Geoffrey durch einen der Torbogen trat, die zu den eingelagerten Büchern führten. Der andere Hüter wirkte teilnahmsvoll und belustigt, während er Saetan dabei zusah, wie dieser ein paar Bücher hin- und herschob.
Geoffrey trat an den Tisch, griff nach einem Buch und schlug es auf, um die Titelseite zu lesen. »Wie lange meinst du, wirst du das noch durchziehen können?«, fragte er. »Früher oder später wird einer von ihnen dahinterkommen, dass dies neue Bücher sind, deren Einband mit einem Illusionszauber belegt ist, damit sie alt aussehen, und dass du sie lediglich als Requisiten benutzt.«
»Bisher hat das noch niemand bemerkt«, erwiderte Saetan und zog Geoffrey das Buch aus der Hand. »Wenn ich beschäftigt bin, können sie sich Zeit lassen und langsam das zur Sprache bringen, weswegen sie hergekommen sind. Keiner von ihnen sieht genau genug hin, um zu bemerken, dass der Zustand des Papiers nicht mit dem angeblichen Alter der Bücher übereinstimmt.«
»Und du hast ein paar der echten Bücher mitgenommen, um die Vorlagen für den Zauber zu erschaffen. Ziemlich genial, Saetan. Aber demnach zu schließen, was ich mitbekommen habe, bevor ich mich zurückzog, stehst du vor einem Problem.«
»Allerdings.« Die Gräte in seiner Kehle kratzte noch ein wenig heftiger. »Ja, allerdings.«
Lucivar landete auf dem kleinen Hof vor seinem Horst, verlagerte das Gewicht seines kleinen Sohnes und wandte sich dann um, um den Berg anzusehen, den man den Schwarzen Askavi nannte.
Er war nicht wie sie. Würde niemals wie sie sein können . Sein Vater. Sein Bruder. Zwei vom gleichen Schlag. Der Unterschied zu ihm fiel nicht so sehr auf, wenn es nur der eine oder der andere war. Aber wenn die beiden zusammen waren...
Gebildete Männer, mit einer Passion für Bücher und Worte
und Gelehrsamkeit. Er war der Außenseiter, derjenige, der nicht dazugehörte.
Es tat weh. Egal, wie oft er versuchte, es mit einem Achselzucken abzutun, es tat dennoch weh. Und jetzt ging der Schmerz noch tiefer. Wegen des Jungen.
Er rieb die Wange an Daemonars Kopf, und in ihm stieg süßer Schmerz auf, als sich ihm die kleinen Ärmchen zu einer Umarmung entgegenstreckten.
Er wusste, warum er aus der Bibliothek ausgesperrt worden war. Wusste, warum man ihn ausgeschlossen hatte. Aber wenn er sich zwischen ihnen entscheiden musste, würde er das Kind wählen, das er in seinen Armen hielt.
Nachdem er seinem Sohn einen Kuss gegeben hatte, sagte er: »Komm schon, Junge. Heute darfst du mit deinem Papa spielen.«
Kapitel 4
Das Rasseln, Poltern und die Flüche, die aus der Küche des Horstes drangen, waren keine Geräusche, die Lucivar normalerweise mit seiner lieblichen Frau in Verbindung brachte. Er zögerte einen Augenblick. Dann setzte er Daemonar in der Nähe der Seitentür ab, die auf den Teil des Hofes hinausging, der den stürmischen Balgereien eines eyrischen Jungen und eines Wurfes Wolfsjungen gewachsen war – und der von einer gewölbten Schildkuppel umgeben war, die den Jungen und die Welpen davor bewahren sollte, den Berg hinunterzustürzen.
»Bleib hier«, sagte er.
Beim Überqueren der Türschwelle zögerte er erneut. Der Befehl würde den Jungen ein oder zwei Minuten draußen halten, aber nicht viel länger. Doch wenn er Daemonar aussperrte, bliebe ihm nicht einmal diese kurze Zeitspanne, herauszufinden, was Marian derart aus der Fassung gebracht hatte, bevor sein Sohn sein Missvergnügen laut genug kundtäte, um bis nach Riada gehört zu werden. Also ließ er die Tür offen, durchquerte den gewaltigen Vorraum und erreichte den Türbogen, der in die Küche führte.
»Marian?«, fragte er leise.
Der
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