Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
wissen, dass er sich in dieser dreifach verfluchten Stadt aufhielt. Beinahe hätte er es sich anders überlegt und hätte sich zu Erkennen gegeben, als ihn die Hotelangestellten am Empfang tatsächlich als Angehörigen des Blutes begrüßten. Doch dann blickte er ihnen in die Augen und lauschte ihren sorgfältig gewählten Worten … und ihm wurde klar, dass sie ihn für einen gebrochenen Mann hielten; für jemanden, der so
viel seiner Macht eingebüßt hatte, dass er kaum noch einer der Ihren war.
Das hielt sie nicht davon ab, seine Goldstücke anzunehmen. Nein, sein Mangel an Macht hielt niemanden davon ab, eine saftige Summe für die Almosen entgegenzunehmen, die sie zu geben gewillt waren.
Wie dieses Zimmer. Hätte er ein Landenhotel in einer benachbarten Stadt aufgesucht, hätte er ein besseres Zimmer für die Hälfte des Preises bekommen. Doch er hatte in einem Hotel wohnen wollen, das Angehörige des Blutes beherbergte. Wozu? Das Zimmer, das man ihm gegeben hatte, unterschied sich nicht im Geringsten von den Zimmern, die er in Landenstädten bewohnt hatte – ja, es wies so gut wie nichts auf, wozu das Beherrschen der Kunst nötig gewesen wäre. Absichtlich. Weil sie nicht glaubten, dass er wie sie sein konnte.
Und er konnte es tatsächlich nicht. Jedenfalls noch nicht.
Sie hielten sich für so besonders, so mächtig, so überlegen.
Daemon Sadi zum Beispiel. Er hatte Prinz Sadi persönlich eine Ausgabe seines neuen Buches zugeschickt. Der Bastard hatte noch nicht einmal die Höflichkeit besessen, sich mit einer Zeile für das Geschenk zu bedanken. Und die ersehnte Einladung zum Abendessen hatte Sadi sowieso nicht geschickt.
Und dann war da noch Lady Surreal. Er hatte von ihr gehört. Wer hatte nicht von ihr gehört? Nichts weiter als eine Hure, aber sie konnte in einem Laden stehen und in aller Öffentlichkeit einen gebildeten Mann verlachen, bloß weil sie ein Juwel trug!
Es gab nicht nur die eine Art von Macht. Die Angehörigen des Blutes stellten die Regeln auf und beherrschten die Reiche, aber sie waren nicht allmächtig, waren nicht unbesiegbar. Ein schlauer Mann konnte ihnen eine Niederlage beibringen und beweisen, dass er Achtung und Respekt verdient hatte.
Ein schlauer Mann konnte sie besiegen, indem er eine
Fähigkeit gegen eine andere ausspielte. Selbst die Mächtigsten unter ihnen.
Natürlich wäre es nicht unbedingt ratsam, sich als der Urheber eines solchen Planes zu erkennen zu geben, aber insgeheim würde er wissen, dass er in ihrer Mitte bestehen konnte.
Und Lady Jaenelle Angelline höchstpersönlich hatte ihm eine Möglichkeit an die Hand gegeben, seine Spuren zu verwischen. Erst hatte es ihn ein wenig aus der Fassung gebracht, als er dachte, sie habe seinen Einfall gestohlen und ihm den Schauplatz seines nächsten Romans gestohlen.
Doch nun bedeutete das lediglich, dass die Leute bestätigen können würden, er habe die neue Geschichte über Landry Langston vor den tragischen Ereignissen zu schreiben begonnen.
Ja, es gab mehr als eine Art von Macht, und ihm standen die nötigen Mittel zur Verfügung, um einen wunderbaren Handlungsablauf zu weben.
Er würde den Angehörigen des Blutes eine Geschichte weben, welche die Familie SaDiablo niemals vergessen würde.
Jedenfalls die überlebenden Familienmitglieder nicht.
Kapitel 6
Nein, Hexenkind, ich werde ganz gewiss nicht Hooo ho ho sagen.«
»Aber es ist für …«
» Nein! « Saetan knallte donnernd die Bücher auf den Ebenholzschreibtisch in der Bibliothek des Bergfrieds. »Wenn du unbedingt alles, was wir sind, beleidigen möchtest, ist das deine Entscheidung. Aber ich mache dabei nicht mit.«
Verblüfft starrte Jaenelle ihn an. »Es ist doch bloß ein kleiner Spaß.«
»Spaß!« Er würgte seinen Zorn hinunter, dem er nicht freien Lauf lassen konnte, da er sonst zu blinder Zerstörung geführt hätte. »Du machst uns zum Gespött, und das hältst du für lustig ?« Er drehte ihr, seiner Tochter und Königin, den Rücken zu und presste seine Handballen gegen die Schläfen, während er darum kämpfte, nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren.
»Saetan …«
Verwirrung. Kränkung. Sie war zum Bergfried gekommen, um ihn an etwas Amüsantem teilhaben zu lassen, und war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass er sich gegen sie wenden würde. Wie konnte sie nur? Er war sich nicht einmal sicher, ob er sie als ihr Vater oder als ihr ehemaliger, und immer noch inoffizieller, Haushofmeister zusammenstauchte.
Er drehte
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