Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
in ihm.
»Meinst du, es gibt etwas Lohnenswertes zu stibitzen?«, fragte er deshalb.
»Als ich heute Nachmittag zur Küchentür gegangen bin, um mir einen Teller Obst mit Käse zu holen, war sie noch mehr auf ihr Revier bedacht als sonst.«
Ein wahrlich Furcht erregender Gedanke.
Er strich mit dem Finger über Jaenelles Schulter. »Schließlich gehört uns diese Burg, und wir bezahlen das ganze Essen, also dürfen wir alles aus beiden Küchen essen, was unser Herz begehrt.«
»Mhm. Wenn wir erwischt werden, kannst du es ja mit diesem Argument versuchen.«
Ein Bild erschien vor seinem geistigen Auge: Er, die Hände voll gestohlenem Essen; und Mrs. Beale, eine altmodische, mit Rüschen besetzte Nachthaube auf dem Kopf und ihr Beil in Händen. Sie stand im Türrahmen und wartete auf eine Erklärung.
Mutter der Nacht!
Da sie dieses nächtliche Abenteuer gemeinsam planten, griff er nach Jaenelles Geist und strich behutsam an ihrer ersten inneren Barriere vorbei. Als sie die Barriere öffnete, zeigte er ihr seine Vorstellung von Mrs. Beale.
»Oh. Igitt!« Jaenelle verzog das Gesicht und gab Würgegeräusche von sich. Dann verstummten die Geräusche und
sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Meinst du wirklich, dass sie so ein Ding trägt? Trägt so etwas überhaupt noch jemand?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»Beale schläft bei ihr«, flüsterte Jaenelle. »Meinst du, das Metzgerbeil hat sein eigenes kleines Bettchen?«
Er erschauderte. »Wäre ich an Beales Stelle, würde ich mein Bett nicht mit diesem Metzgerbeil teilen.« Wobei Beale das Gleiche darüber denken mochte, dass er sich gelegentlich das Bett mit einer dreihundertfünfzig Kilogramm schweren Raubkatze teilte.
»Sie schlafen miteinander«, flüsterte Jaenelle.
»Nein. Nein, nein, nein! Der Gedanke ist nun wirklich beängstigend!« Er schwang sich aus dem Bett. »Komm schon. Ziehen wir die Sache durch, bevor einem von uns beiden noch einfällt, dass wir eigentlich erwachsen sein sollten.«
Sie lachte, und das silberhelle, samtene Geräusch wusch die restlichen schlechten Erinnerungen fort, sodass nur noch die Vorfreude auf ein schelmisches Abenteuer zurückblieb.
Sie lachten ihn aus.
Er war am Nachmittag in die Buchhandlung in Amdarh gegangen, um etwas Zeit inmitten der Seinen zu verbringen, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihn zu erkennen – und um ihrem Lob für sein neuestes Buch zu lauschen.
Die Angehörigen des Blutes hatten ihn nicht erkannt, hatten nicht erkannt, wie bedeutsam es war, dass er sich in die Buchhandlung begeben hatte. Und was das Lob für sein neuestes Buch betraf …
Oh, sie hatten ihn sehr gemocht, als sie noch dachten, er sei ein schlauer Landenmann, der sich eine gute Geschichte ausdenken konnte, doch sobald er versucht hatte, ihnen zu zeigen, wer er wirklich war, die Wahrheit darüber, was er war, hatten sie ihn ausgelacht.
Landry Langston war nicht einfach nur eine Figur in einer Geschichte. Landry Langston war er . Ein Halbblut, das von einer Landenmutter aufgezogen worden war. Ein Halbblut, das zu einem Mann heranwuchs, der stark genug war, ein Angehöriger des Blutes zu sein!
Er kannte ihre Gepflogenheiten nicht, kannte die Etikette nicht, wusste nicht, was es bedeutete, ein Angehöriger des Blutes zu sein. Wie sollte er auch? Er war nicht in einem ihrer feinen Dörfer aufgewachsen, war nicht sein ganzes Leben lang von jenem Tanz umgeben gewesen, wie sie den ständigen Gezeitenwechsel der Herrschaftsbeziehungen nannten, der davon abhing, wer sich gerade in einem Zimmer befand. Anstatt seine ganze Kindheit und Jugend hindurch ausgebildet zu werden, wie es für ihn angemessen gewesen wäre, musste er für Informationen über sein Erbe bezahlen . Seine »Berater« hatten nur zu gerne die Goldmünzen angenommen, die er als Bezahlung für ihre »Nachforschungen« anbot, doch nun fragte er sich, ob ihre Informationen richtig gewesen waren – oder ob sie ihm gerade so viel verraten hatten, dass er jetzt wie ein Tölpel dastand.
Was seine andere »Beraterin« betraf … Tja, im Grunde konnte er nicht viel auf das geben, was ihrem Geist entsprang.
In dem Buchladen hatten sie über seine Darstellung der Angehörigen des Blutes gelacht, hatten ihn ausgelacht. Doch hier im Hotel war ihm noch viel Schlimmeres passiert. Sie hatten ihn bemitleidet!
Der Dunkelheit sei Dank, dass er das Hotelzimmer nicht unter seinem echten Namen bezogen hatte. Nach der Demütigung in der Buchhandlung sollte niemand
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