Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
mehr als die eine Art des Kampfes, und Andulvar hatte nie in Daemons Augen geblickt, wenn der Sadist eiskalt geworden war. Hätte er es getan, dann hätte er gewusst, dass es einen Menschen gab, gegen den nicht einmal ein schwarzgrauer eyrischer Kriegerprinz antreten und es überleben konnte.
»Du und Daemon …« Saetan strich sich mit einem Finger
über die Stirn, während sich sein Mund zu einem grimmigen Lächeln verzog. »Selbst als ihr noch so jung wart, habt ihr die Schwächen des jeweils anderen erkannt – oder was ihr für Schwächen gehalten habt – und ihr habt daran gearbeitet. In deinem Fall sind es die Worte gewesen. In seinem … Mutter der Nacht, Lucivar. Es hat Zeiten gegeben, da wusste ich nicht recht, ob ich mich scheckig lachen oder euch beiden die Hälse umdrehen sollte. Du hast versucht, ihm das Kämpfen beizubringen. Und auf beiden Seiten gab es so viel Frustration, weil ihr nicht begriffen habt, warum dein Bruder nicht so mit den Waffen umgehen konnte wie du.«
»Es widerstrebt ihm mittlerweile nicht mehr so sehr, diese Seite des Kampfes zu erlernen«, sagte Lucivar. Allerdings war Daemons Hauptmotivation beim Erlernen einiger Schlagfolgen mit den eyrischen Stangen der Umstand, dass Jaenelle einen Partner benötigte, mit dem sie jeden Tag üben konnte, um weiterhin ihre Kraft und ihre Muskulatur wieder aufzubauen. Und von den Übungsstangen war es nur ein kleiner Schritt bis hin zu den mit Klingen bewehrten Stangen, mit denen man ebenso elegant und wild kämpfen konnte wie mit einem Schwert.
Nicht dass er dies Daemon gegenüber erwähnen würde. Noch nicht.
Saetans Reaktion bestand aus einem leisen schnaubenden Lachen. Doch er hatte den Blick weiterhin unverwandt auf das Feuer gerichtet. »Damals konnte Daemon sich nicht gegen dich behaupten, also arbeitete Prothvar mit dir, brachte dir die Bewegungsabläufe bei und wie man die Waffen hält. Er ließ sogar extra eyrische Waffen mit stumpfen Klingen für dich anfertigen, die nicht zu schwer für Kinderhände waren.«
Das hatte Prothvar ihm nie erzählt. Oh, man hatte ihm gesagt, sein dämonentoter »Cousin«, bei dem es sich um Andulvars Enkelsohn handelte, sei einer seiner Übungspartner gewesen, als er noch ein Kind war. Doch er hatte nicht gewusst, dass Prothvar derart an seiner frühen Ausbildung
beteiligt gewesen war. Und er fragte sich, was aus den kleinen Waffen geworden war. Wahrscheinlich hatte seine Mutter sie weggeworfen, als sie ihn der Hohepriesterin von Askavi übergeben hatte, um ihn vor Saetan zu verstecken – woraufhin sie selbst ihn ebenfalls verloren hatte.
»Du hast ein paar Tage bei mir auf der Burg gewohnt, und Prothvar war auch da, um mit dir zu üben.«
Ein Zittern lag in Saetans Stimme, welches rasch mit seiner üblichen Selbstbeherrschung niedergekämpft wurde.
»Er hatte immer so sehr darauf geachtet, Illusionszauber zu verwenden und das Schlimmste zu verbergen, wenn er mit dir und Daemon zusammen war, obwohl er sowieso immer ein ledernes Wams trug. Ich weiß nicht, wie es dir gelungen ist, aber du hast ihn überredet, dir seine tödlichen Verletzungen zu zeigen. Wahrscheinlich ist es unvermeidbar gewesen. Er war ein älterer Cousin, ein erfahrener Krieger, der auf dem Schlachtfeld ums Leben gekommen war, und du warst noch klein und hattest eher eine romantische Vorstellung von einer Schlacht, statt die bittere und blutige Wirklichkeit zu sehen.«
Lucivar rührte sich nicht. Wagte kaum zu atmen.
Einhundert Mann kehrten aus dem Blutrausch zurück. Fünfzehn von ihnen waren tot.
Die Anfangszeilen der Geschichte von der letzten Schlacht des Dämonenprinzen, der Entscheidungsschlacht in dem Krieg, der Terreille und Kaeleer vor fünfzigtausend Jahren beinahe zerstört hätte. Über Generationen hatten Eyrier einander diese Geschichte erzählt, aber Lucivar hatte sie von den Männern gehört, die tatsächlich dort gewesen waren. Also wusste er, dass Andulvar und Prothvar in der Schlacht gekämpft hatten – und dass sie die Anführer des Heeres gewesen waren, das angetreten war, um Hekatah SaDiablos Versuch zu beenden, die Herrschaft über die beiden Reiche der Lebenden an sich zu reißen. Beide Männer waren so tief im Blutrausch gewesen und so darauf konzentriert, die Schlacht zu gewinnen, dass sie die Hiebe, die sie eigentlich hätten niederstrecken müssen, gar nicht gespürt
hatten. Stattdessen hatten sie sich einfach von einem Herzschlag zum nächsten in Dämonentote verwandelt – und sie hatten ihren
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