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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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Rainier den Schürhaken von dem Messingständer am Kamin holte. Mithilfe des Hakens zog er die Überreste der zerfetzten Gardine zurück.
    Sie starrte das Fenster an. Draußen war es jetzt dunkel. Sie konnte weder den Zaun noch die Straße erkennen. Nur ihr Spiegelbild in dem Glas. Wenn sie das Glas zerbrach …
    Ein Gefühl in ihrem Nacken, wie winzige Beine, die an ihr emporkrochen.
    Sie ließ sich von ihren Instinkten leiten, lenkte die graue Macht in ihre Hand und umgab das Bündel damit, bevor sie den Arm zurückriss und warf, wobei sie sich der Kunst bediente, um das Bündel durch das Glas zu befördern.
    Irgendwo im Haus ertönte der Gong.
    »Ist es draußen?«, fragte Surreal und trat näher an das Fenster. »Kannst du sehen, ob das Bündel an dem Zaun vorbeigeflogen ist?«
    Ihr Spiegelbild zeigte sich in dem nachtschwarzen Glas. Und dann war es nicht mehr ihr Spiegelbild. Das Antlitz einer anderen Frau starrte ihr entgegen, und …
    Der Arm der Frau schoss aus dem Glas. Mit Fingernägeln, die wie Dolchspitzen geformt waren, hieb die Frau auf Surreals Gesicht ein.
    Surreal wandte das Gesicht ab und hob instinktiv schützend einen Arm. Sie fühlte, wie die Nägel den Ärmel ihrer Jacke zerfetzten, bevor Rainier sie außer Reichweite zerrte.
    »Ihr hättet durchs Fenster klettern sollen«, sagte die Frau, deren Stimme ein boshafter Singsang war. »Hättet sollen, hättet wollen, jetzt ist’s zu spät. Wenn ihr einen Ausgang findet und nicht benutzt, ist er für immer futsch. Futsch, futsch, futsch. Und ihr werdet auch bald futsch sein. Schon
bald werdet ihr mir Gesellschaft leisten. Und dein Gesicht wird dann nicht mehr so hübsch aussehen.«
    »Wer bist du?«, wollte Surreal wissen.
    »Er hat mich bezahlt. Dann hat er mich umgebracht. Und dann hat er mich an dieses Haus gekettet. Aber er lässt mich mit all den Listen und Fallen spielen. Stirb nicht allzu bald, Lady Luder. Nicht ohne meine schönsten Überraschungen zu Gesicht bekommen zu haben!«
    »Wer ist er?«
    »Das werdet ihr schon noch herausfinden.« Das Gesicht der Frau verblasste allmählich. »Wenn ihr ebenfalls an das Haus gefesselt seid.«
    Surreal starrte das Fenster an. In dem Glas war nun nichts mehr außer ihrem eigenen Spiegelbild zu erkennen.
    »Wir hätten hier herausgekonnt«, sagte sie. »Hätten das Fenster aufmachen und hinausklettern können.«
    »Während wir gleichzeitig versuchten, uns ihrer Fingernägel zu erwehren?«, versetzte Rainier. »Ich möchte bezweifeln, dass sie uns einfach hätte ziehen lassen.«
    »Angenommen, sie hat nicht gelogen, als sie meinte, dies sei ein Ausgang gewesen.« Surreal betastete den Riss in ihrer Jacke. »Was war sie? Dämonentot? Eine Illusion?«
    »Beides?« Rainier stieß ein grimmiges Seufzen aus. »Hat sie dich geschnitten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist aber ziemlich knapp gewesen. Und das war nicht als kleiner Spaß gedacht.«
    »Richtig.« Er zögerte. »Kommt dir das vertraut vor?«
    »Inwiefern?«, fragte sie argwöhnisch.
    »Eine Leiche im Wandschrank. Verstreute Hinweise.«
    Sie sahen einander an.
    »Ach, Mist«, sagte Surreal. »Jemand hat uns in einen Krimi gelockt? Wir sind die dummen Figuren, die in das Haus des Bösen stolpern?«
    »Sieht so aus.« Dann fügte Rainier auf einem mentalen Faden hinzu: *Und wir haben ihm geholfen, indem wir Opfer mitgebracht haben. Kanonenfutter für das Spiel.*
    *Dann ist es höchste Zeit, unsere Erwartungen über Bord
zu werfen und uns wirklich anzusehen, wo wir da hineingeraten sind.*
     
    Die Kutsche verließ den schwarzen Wind, und Daemon lenkte sie den Rest des Weges bis zu dem Landendorf. Das Spukhaus war nicht schwer zu finden. Es war die einzige pulsierende Machtquelle in dem ganzen Dorf.
    Jaenelle und er hatten nicht miteinander gesprochen, seitdem sie ihr gemeinsames – seitdem sie Jaenelles Schlafzimmer verlassen hatten. Doch als er die Kutsche behutsam auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Stehen brachte, hatte er genug von Jaenelles zornigem Schweigen.
    Sie sprang von ihrem Sitz auf und trat auf die Tür zu – und starrte sie fassungslos an, als sie sich nicht öffnen ließ.
    Voll träger, raubtierhafter Anmut erhob er sich vom Kutschbock und lächelte sie an. »Kommst du nicht durch ein schwarzes Schloss?« In seiner Stimme schwang boshafte Heiterkeit mit.
    »Mach die Tür auf!«
    »Erst nachdem wir ein paar Dinge geklärt haben.« Er ging auf sie zu, blieb jedoch außer Reichweite stehen. Sie war immer noch eine

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