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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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hatte überlebt, weil er ihre Befehle befolgte.
    Die Anspannung in ihren Schultern ließ ein wenig nach.
    Diese Kinder waren alt genug, um zu begreifen, dass sie sich in einer gefährlichen Situation befanden. Trotz der Wortgefechte, die sie anscheinend austragen wollten, und obwohl Surreal sie als blökende Schafe bezeichnete, waren sie klug genug, um einzusehen, dass es Rainier und ihr um ihre Sicherheit ging.
    Und sie würden für die Sicherheit der Kinder sorgen – zumindest solange Rainier und sie das noch konnten.
    Aber etwas an dem eifrigen Geflüster zwischen Dayle und Ginger ging ihr auf die Nerven. Und das Gemurmel und Gekicher von Kester und Trist ließ sie gereizt werden.
    War dieses Flüstern und Kichern etwas, das alle Kinder taten, oder machten das nur Landen? Sie wusste es nicht, und war sich nicht sicher, wie sie danach fragen sollte. Als sie in den Häusern des Roten Mondes als Hure gearbeitet hatte, hatte sie sich geweigert, in einem Haus zu arbeiten, in dem junge Mädchen aufgenommen wurden; und als Kopfgeldjägerin hatte sie niemals einen Auftrag angenommen, bei dem es darum ging, ein Kind umzubringen. Deshalb hatte sie nie Grund gehabt, die Nähe von Kindern zu suchen, aber etliche Gründe, sie zu meiden. Falls sie gleichaltrige Freunde gehabt hatte, als sie noch sehr klein war, konnte sie
sich nicht mehr an sie erinnern – und in Gingers Alter war sie längst als Hure durch die Straßen gezogen, um zu überleben, und sie hatte bereits den ersten Mann umgebracht.
    Sie wandte sich von den Kindern ab und neigte den Kopf in Richtung Fenster, zum Zeichen für Rainier, sie dort zu treffen.
    »Ich habe gar nichts gespürt, als ich an der Tür vorübergegangen bin«, sagte Rainier leise.
    »Das ist mir klar«, entgegnete Surreal. »Ansonsten hättest du etwas gesagt.« Aus dem Augenwinkel sah sie eine Bewegung und drehte den Kopf.
    Trist wanderte auf die geschlossene Tür zu. Er blieb stehen, als er bemerkte, dass sie ihn beobachtete. Sie wartete, bis er ein paar Schritte zurückgewichen war und zu einer erneuten geflüsterten Unterhaltung mit Kester ansetzte. Dann erst richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Rainier.
    »Vielleicht sind Frauen diesem Zauber gegenüber sensibler als Männer. Oder vielleicht bekomme ich ein bisschen mehr von dem mit, was hier abläuft, weil meine Mutter eine Schwarze Witwe gewesen ist. Wie dem auch sei …«
    Als sie den Kindern einen Blick zuwarf, sah sie gerade noch, wie Trist nach dem Knauf an der geschlossenen Tür griff. Er warf ihr ein trotziges Grinsen zu, drehte dann an dem Griff und zog die Tür auf.
    Einen Augenblick später erstarrte sie ungläubig. Im nächsten Moment stürzten Rainier und sie los.
    Die Mädchen schrien. Trist starrte das an, was in dem Wandschrank gewartet hatte. Dann packten verbrannte, schwärzliche Hände den Jungen und rissen ihn in das Schrankinnere.
    Die Tür fiel krachend zu.
    Trist schrie. Und schrie. Und schrie.
    Rainier war einen Schritt schneller an der Tür als Surreal. Er packte den Knauf und versuchte, die Tür zu öffnen, aber sie war zugesperrt, von innen verriegelt.
    »Tu es!«, brüllte sie.
    Mithilfe der Kunst riss Rainier die Tür aus den Angeln
und warf sie zur Seite. Im gleichen Augenblick ließ Surreal den Schürhaken fallen und sprang in den Wandschrank, wobei sie ihren Dolch herbeirief, da dies eine bessere Waffe für den Nahkampf war.
    Niemand sonst befand sich in dem engen Raum. Lediglich Regale voll altem Geschirr.
    Doch sie konnte den Jungen immer noch schreien hören und dann hörte sie …
    Diese Geräusche kannte sie. Sie hatte genug Menschen umgebracht, um zu wissen, was diese Geräusche – und das plötzliche Ausbleiben der Schreie – bedeuteten.
    Rainier warf die Kugel Hexenlicht in hohem Bogen durch den Türrahmen.
    Sie sah den feuchten Fleck, der sich zwischen einer Terrine und einer anderen Servierschüssel an der Wand ausbreitete. Sie schob das Geschirr beiseite und hielt zwei Finger an den Fleck. Dann zog sie die Hand wieder zurück und hielt sie Rainier entgegen, damit er das frische Blut sehen konnte.
    Ein dumpfes Geräusch ertönte. Als sich etwas auf dem Regal bewegte, machte sie einen Satz zurück.
    Dann rollte etwas Rundes von dem Regal und landete auf dem Fußboden zwischen ihr und der Tür.
    Sie starrte es an – und konnte spüren, wie die Stille in ihrem Innern schärfer und tödlicher wurde.
    Als sie über das frisch herausgerissene Auge stieg, zersprang etwas in ihrem Innern.

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