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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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und stellte sich an eine der Öffnungen, die von dem Korridor abgingen. Er hielt die Lampe von sich gestreckt und versuchte, einen besseren Blick auf das Zimmer zu erhaschen.
    Kein Zimmer. Es war der vordere Korridor.
    Er sah Kester an und neigte dann den Kopf in Richtung der anderen Kinder. »Bleibt hier. Halte sie zusammen.«
    Keine freche Antwort von dem Jungen. Keine Widerrede. Keine Bemerkungen. Vielleicht war den Kindern allmählich klar geworden, dass sie tun mussten, was ihnen gesagt wurde, wenn sie überleben wollten.
    Er bewegte sich auf die vordere Treppe zu. War Surreal vielleicht immer noch dort unten?
    »Surreal?«
    Er spähte über das Treppengeländer. Unten gab es keinerlei Lichtquelle.

    Der Gong war zweimal erklungen. Das erste Mal musste es wegen des Hexenfeuers gewesen sein, das sie erschaffen hatte, um die Kerze anzuzünden. Und das andere Mal?
    Sie hatte etwas gespürt. Oder jemanden. Der zweite Gongschlag. Hatte es sich dabei um eine Waffe oder einen Schild gehandelt?
    Sie hätten sich mit einem Schutzschild umgeben sollen, als sie merkten, dass etwas nicht stimmte. Sie hatten die Gefahr falsch eingeschätzt, der sie ausgesetzt waren – und sie hatten ihren Feind unterschätzt.
    Sie war als Letzte die Treppe hochgekommen und hatte ihnen Rückendeckung verschafft. Das hätte eine sicherere Position sein sollen, da sie die Küche bereits durchsucht hatten.
    Hätte es sein sollen.
    Was hatte sich in dem Augenblick verändert – zwischen dem letzten Mädchen, das die Treppe hochgekommen war, und Surreal, die dann folgte?
    Das letzte Mädchen.
    Rainier drehte sich zu der Öffnung um, die zum rückwärtigen Korridor führte. Sieben Kinder waren mit ihm die Treppe heraufgestiegen. Aber es sollten nicht mehr sieben sein. Das vierte Mädchen. Das letzte Kind, das die Treppe heraufgekommen war. Es war keines der Kinder, die mit ihnen zusammen das Haus betreten hatten.
    »Mutter der Nacht«, flüsterte er.
    Er rannte zu dem Korridor an der Rückseite des Hauses zurück. An der Öffnung blieb er wie angewurzelt stehen. Vier Kinder drängten sich um eine verschlossene Tür, die Kester gewaltsam aufzubrechen versuchte, indem er immer wieder seine Schulter dagegenrammte.
    Kein Geräusch. Kein Anzeichen, dass es Ärger gab. Die Mädchen hatten die Münder aufgerissen und schrien oder brüllten wahrscheinlich. Der vordere Korridor war nicht derart groß. Er hätte hören müssen, wie Kester versuchte, die Tür einzuschlagen.
    Sobald er die Schwelle überquerte, konnte er die Schreie hören.

    Beim Feuer der Hölle!
    »Zurück!«, rief Rainier. Er setzte sich wieder in Bewegung und sammelte mit jedem Schritt mehr Schwung. Kester sah ihn gerade noch und hechtete aus dem Weg, als Rainier den letzten Schritt in einen Sprung und einen Tritt verwandelte.
    Die Tür ging krachend auf und gab den Blick frei auf ein Zimmer, das keinerlei Möbel enthielt … allerdings auch nicht leer war.
    Einen Augenblick lang erstarrte er bei dem Anblick der Brandmale und Narben auf dem jungen Körper der Fremden. Ein Illusionszauber musste die Verletzungen verborgen haben, genauso wie er ihre zerrissene, schmutzige Kleidung verborgen hatte. Bei dem Anblick wurde ihm übel – und noch übler wurde ihm von dem, was das Mädchen getan hatte.
    Die Fremde trug durchbrochene Panzerhandschuhe, eine Art tödlicher Schmuck, den Hexen manchmal trugen. Die Finger liefen in rasiermesserscharfen Krallen aus. Und von den Krallen an den Mädchenhänden tropfte Blut.
    Ihr Mund war blutverschmiert. Es rann ihr das Kinn hinab wie Bratensaft bei einem primitiven Festschmaus.
    Sie war ein kindelîn tôt . Ein dämonentotes Kind – und ein tödliches Raubtier.
    Ginger lag mit dem Rücken auf dem schmutzigen Holzboden. Ihr Hals, ihre Brust und ihre Arme waren von den Krallen zerfetzt.
    Es gab keine Hoffnung mehr für sie.
    Das kindelîn tôt sprang auf die Beine und rannte auf die rückwärtige Wand zu.
    Rainer hechtete hinterher.
    Die Kleine machte sich an der Wand zu schaffen, die Krallen der Panzerhandschuhe zerfetzten die alte Tapete, während sie nach etwas suchte.
    In dem Augenblick, bevor er sie erreichte, war er nur noch ein Kriegerprinz im Blutrausch, und sie war nichts als ein Feind. Als er den Schürhaken auf ihren Rücken niedersausen ließ, legte er all seine Kraft und all seinen Zorn in den Hieb.

    Er hörte, wie Knochen zerbrachen.
    Sie fiel, nicht mehr in der Lage, ihre Beine zu benutzen. Sie war stark genug gewesen, um ein kindelîn

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