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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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tôt geworden zu sein, doch sie war nicht ausreichend in der Kunst bewandert, um sich mithilfe ihrer Macht wieder zu erheben.
    Er stand über ihr und betrachtete die Wunden, die auf Folter hindeuteten. Sah den Wahnsinn und den Hass in ihren Mädchenaugen.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Du bist genau wie er«, sagte sie. Ihre Stimme klang rau vor Hass. »Du bist genau wie er.«
    »Wie wer?«
    Sie lachte. »Das verrate ich dir, sobald du tot bist. Ich werde meine hübschen Klauen in deine Brust graben, und du wirst mich tragen müssen. Wirst mir die Beine ersetzen müssen, weil du mir die meinen genommen hast. Und in deine Augen werde ich meine hübschen Klauen auch graben. Bloß zum Spaß.«
    Sprach da der Wahnsinn, oder war es ein Echo des Menschen, der das Mädchen einst gewesen war?
    Er wich einen Schritt zurück. Dann noch einen. Dann drehte er sich um und ging zu Ginger zurück.
    So viel Blut, dachte er, als er sich neben das sterbende Mädchen kniete. Zu viel Schaden. Ihr blieb nicht genug Zeit, als dass er auch nur hätte versuchen können, sie zu heilen. Seine beschränkten Fähigkeiten in der Heilkunst reichten nicht aus, um etwas an ihrem Schicksal zu ändern.
    Ihre Augen starrten ihn an, ohne ihn zu sehen.
    Gab es einen Ort wie die Hölle für Landen? Sie verwandelten sich nicht in Dämonentote. Wenn ihre Körper starben, waren sie tot. Doch gab es einen Ort für ihre Geister, an dem sie eine gewisse Zeit verbrachten, bevor sie wirklich tot waren?
    Er wusste es nicht, hatte niemals danach gefragt. Und in diesem Augenblick wollte er es wirklich nicht wissen.
    »Sie hieß Anax«, sagte Kester. »Sie hat in dem Waisenhaus gelebt. Vor ein paar Wochen ist sie davongelaufen.«

    War sie tatsächlich davongelaufen, oder waren die Verantwortlichen in dem Waisenhaus aufgrund von Anax’ Verschwinden lediglich davon ausgegangen? Jemand hatte das Mädchen gefoltert und getötet, hatte sie hier zurückgelassen, damit sie zu einem der Raubtiere werden konnte, die die Gäste jagten, die in diesem Haus in der Falle saßen.
    »Ist in letzter Zeit sonst noch jemand aus dem Waisenhaus davongelaufen?«, fragte Rainier und blickte zu den anderen Kindern.
    »Drei oder vier«, erwiderte Kester mit einem Schulterzucken, als sei es ihm völlig gleichgültig.
    Rainier kämpfte das Verlangen nieder, den Jungen anzubrüllen, nicht derart kalt und gefühllos zu sein. Da Anax zu einem kindelîn tôt geworden war, musste sie eine Angehörige des Blutes gewesen sein. Und das bedeutete, dass ein Angehöriger des Blutes das Mädchen lange vor Kester und dessen Freunden kalt und gefühllos behandelt hatte.
    Kein Lebenszeichen zeigte sich mehr in Gingers Augen. Er spürte keinen Atem, als er ihr eine Hand über Mund und Nase hielt.
    »Sie ist tot.« Er stand auf.
    »Was …« Kester musste hart schlucken. »Was machen wir nun mit ihr?«
    Rainier ließ einen Herzschlag verstreichen. »Wir müssen sie zurücklassen.«
    Sie sahen ihn an.
    »Wir können sie nicht zurücklassen«, sagte Sage.
    »Ihr könnt sie gerne tragen«, erwiderte er schroff. Er griff nach der Öllampe. »Ich werde es jedenfalls nicht tun.«
    »Was wirst du denn dann tun?«, fragte Kester.
    Rainier neigte den Kopf in Richtung der Wand. »Anax hat nach etwas gesucht. Und das werde ich finden.«
     
    Es gab Wasser. Nicht so rostig, wie sie es erwartet hatte, was vielleicht kein gutes Zeichen war, da es bedeutete, dass jemand das Badezimmer in letzter Zeit regelmäßig benutzt hatte. Natürlich hatten die Schwarzen Witwen das Badezimmer
benötigt, bevor sie jemand ins Anfangsstadium des Todes befördert hatte.
    Surreal betrachtete die Toilette mit gerunzelter Stirn. Mussten Dämonentote pinkeln? Gab es Stoffwechselprodukte, wenn sie Yarbarah tranken, oder nahmen sie alles in sich auf, um das tote Fleisch und ihre Macht zu nähren?
    Es war zu schade, dass sie nie daran gedacht hatte nachzufragen, als sie noch ein paar Dämonentote gekannt hatte.
    Und wie stand es mit den Hütern wie Onkel Saetan? Früher pflegte er Mahlzeiten mit der Familie einzunehmen, wenigstens gelegentlich. Musste er also …?
    »Nein«, sagte sie sich mit Bestimmtheit. Falls der Höllenfürst jemals etwas so Profanes tat und seinen Hintern auf einer Toilette parkte, wollte sie es lieber nicht wissen.
    Außerdem gab es Dringenderes, über das sie sich den Kopf zerbrechen musste.
    Sie drehte sich zur Seite, mit dem Rücken zur Badewanne, und musterte die Badezimmertür. Sollte sie sie zumachen und am

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