Die schwarzen Raender der Glut
Sonst hätte er das Blatt liegen lassen. Einverstanden?«
Kerstin nickt.
»Und dann haben wir den Verfassungsschutz«, fährt Tamar fort. »Er hat die Akademie überwacht. Also hat er mit Sicherheit auch das Telefon abgehört und weiß von Zundts Gespräch mit Ihnen. Nun sind aber die Verfassungsschützer nach Zundts Tod nicht abgezogen. Sie observieren weiter, obwohl das für sie riskant ist, wie sich gezeigt hat. Warum tun sie es?«
»Sie werden wissen wollen«, meint Kerstin, »wer diesen Laden übernehmen wird. Aber was könnte das mit Giselher zu tun haben?«
»Vielleicht wollen die Verfassungsschützer wissen, ob Ihr Chef sich die Akademie ansehen wird. Und was passieren wird, wenn er das tut . . .« Tamar zuckt die Achseln und lässt offen, was immer dem MdB Schnappauf in Wieshülen widerfahren könnte. »Jedenfalls steht der Tod dieses Gerolf Zundt in direktem Zusammenhang mit dem Gespräch, das er mit Ihnen geführt hat. Und der Verfassungsschutz tut alles, damit dieser Zusammenhang durchaus nicht vom Staatsanwalt untersucht wird.«
Kerstin blickt auf ihre Armbanduhr. »Allmählich verstehe
ich. Nur habe ich noch immer keine Idee, wie wir Ihnen helfen könnten . . .«
»Ihr Chef könnte sich doch an das Innenministerium in Stuttgart wenden«, schlägt Tamar vor. »Nur eine kleine Anfrage, was es mit dem Tod von Zundt auf sich hat. Damit diese Geschichte nicht mehr so leicht vertuscht werden kann.«
Kerstins Gesichtsausdruck meldet Bedenken an. »Solange wir nicht noch mehr wissen, wird sich Giselher nur ungern in Verbindung mit jemandem wie diesem Herrn Zundt bringen lassen. Das kann uns sehr unangenehm ausgelegt werden . . . Aber wir könnten ganz allgemein danach fragen, was über mögliche verfassungsfeindliche Aktivitäten dieser Akademie bekannt ist.« Sie schenkt Tamar ein kurzes geschäftsmäßiges Lächeln. »Übrigens wird Giselhers Referat gleich zu Ende sein, und danach müssen wir zum Flughafen. Sie werden nur ganz kurz mit ihm sprechen können, das heißt – lassen Sie es mich tun . . .«
Ja, Schätzchen. Tu was für mich. Vor allem spar dir dein Sekretärinnen-Lächeln. Sonst vergesse ich mich noch und nehm dir die Brille ab. Nur um zu gucken, was du für Augen hast.
Aber da strebt die Parlamentarische Mitarbeiterin auch schon mit energischen Schritten den Efeu-umrankten Gebäuden der Akademie Tutzing zu.
Nachdenklich folgt Tamar. Soll sie Hannah davon erzählen? Nettes Mädchen, muss sich hinter großen, runden Brillengläsern verstecken. Nein, ich habe sie ihr nicht abgenommen. Eine Hete, sicher doch . . .
Die Halbtagskraft, die in der Ortsverwaltung Wieshülen das Melderegister verwaltet und die Anträge auf Gasölverbilligung entgegennimmt, ist schon gegangen, und so muss Jonas Seifert erst aufschließen, ehe ihm Berndorf in das kühle, nach billigen Zigarren riechende Amtszimmer folgen kann. Die beiden Männer hängen ihre schwarzen Jacketts an den Garderobenständer und setzen sich an den Besprechungstisch.
»Rasch tritt der Tod den Menschen an«, sagt Seifert. »Aber
der Herr Zundt ist mir ein wenig zu schnell unter die Erde gekommen.«
»Dazu hab ich keine Meinung«, antwortet Berndorf.
Seifert nickt. »Polizisten sollten wissen, nicht meinen.«
Berndorf schüttelt den Kopf. »Ich bin keiner mehr. Und eigentlich bin ich auch gar nicht wegen des toten Herrn Zundt hier.« Fast unmerklich hebt Seifert die buschigen Augenbrauen. »Ja so.«
»Ich bin wegen der Leichenrede gekommen«, erklärt Berndorf. »Ein guter Nekrolog ist ein Kunstwerk. Vom Licht reden, und doch keine Schatten zeigen.«
»Dazu hab jetzt ich keine Meinung«, sagt Seifert. »Aber der, den wir gehört haben, hat nicht vom Licht geredet. Es sind Irrlichter, die er aufsteckt.«
»Kennen Sie ihn?«
Seifert schüttelt den Kopf. »Ein Chaldäer. Wie die anderen auch. Ich habe nur gehört, dass er ein Freiburger Professor ist. Er hätte Zundt zur Seite stehen sollen.«
»Gab es einen Grund dafür?«
»An die Quelle drängt es manchen Knaben . . .« Er spricht nicht weiter, steht auf und geht zu einem Rollschrank, den er öffnet. Die schwarze Hose, von Hosenträgern gehalten, schlottert ihm um die Hüften. Berndorf überlegt. Was, beim Beelzebub, sind Chaldäer?
»Hier«, sagt Seifert und legt drei dünne Hefte vor Berndorf auf den Tisch. »Urteilen Sie selbst.« Die Hefte sind auf Hochglanzpapier gedruckt und nennen sich Festgaben für Heimat und Volkstum , sie erscheinen jährlich, wie Berndorf dem
Weitere Kostenlose Bücher