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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Forestier mit einer kleinen Verkäuferin, und die kleine Verkäuferin lässt sich im Packraum vom Patron schwängern, denn am Ende sind immer die Frauen die Dummen, geködert mit einer paar Glasmurmeln oder sonst einem Glitzerding . . .
     
    Sabine Eckholtz ist eine blasse aschblonde Frau, ihr Gesicht wirkt grau und schwammig, so, als ob sie Medikamente nehmen muss, die ihr nicht gut tun. Eigentlich kann sie nicht viel älter als 50 sein, überlegt Berndorf. Aber im Knast altern die Leute anders. Sie raucht nicht, nimmt aber das Päckchen Zigaretten, das er ihr anbietet.
    »Auffert meinte, ich sollte mit Ihnen reden«, sagt sie mit belegter Stimme. »So ganz klar ist mir das aber nicht. Sagen doch Sie mir, warum ich es tun sollte.«
    »Mir genügt es schon, wenn ich Ihnen eine Geschichte erzählen darf«, antwortet Berndorf. »Und Sie müssen mir nur sagen, ob Ihnen der Schluss gefällt . . .« Die Stores vor den Gitterfenstern des Besuchsraums filtern das Sonnenlicht, als tue zu viel davon den Häftlingen nicht gut.
    Sabine Eckholtz zuckt mit den Schultern.
    »Wir schreiben das Jahr 1972«, beginnt Berndorf. »Was tun? Auch ein junger Mann überlegt sich das. Er ist nicht dem
soziologischen Proseminar entlaufen, sondern ein richtiger Arbeiter und jemand, der sich in vielen Dingen auskennt. Er kann zu Wohnungen verhelfen, die rasch angemietet sein wollen, am besten mit Bargeld auf die Hand, es gibt Leute damals, die so etwas nützlich finden . . .«
    Sabine Eckholtz betrachtet ihn unbeteiligt. In dem gefilterten Licht kann Berndorf ihre Augen nicht richtig sehen. Er erinnert sich an ihr Fahndungsfoto. Da sah sie aus, als seien ihre Augen dunkel vor Zorn und Hass.
    ». . . Und eines Tages stellt sich irgendjemand die Frage, ob dieser junge Mann nicht noch zu anderem nütze wäre. Auch der revolutionäre Kampf braucht Geld, und in der Stadt, in der unser angehender Revolutionär arbeitet, gibt es eine Landeszentralbank, freitags fällt da einiges an, das Problem ist eigentlich nur der Fluchtweg, es ist eine sehr übersichtliche Stadt, wenn die Polizei ein paar Brücken und Autobahnzufahrten abriegelt, kommt so schnell keiner raus . . .«
    Sabine Eckholtz führt die Hand zum Mund und unterdrückt ein Gähnen.
    »Wie es sich fügt, hat der junge Mann an dem ins Auge gefassten Freitag Spätschicht. Vor allem aber liegt sein Arbeitsplatz innerhalb der Stadt, gar nicht so weit von der Landeszentralbank entfernt. Die Führung der Revolutionären Kommandos gibt grünes Licht für den Einsatz, die Sache ist perfekt geplant und läuft perfekt ab, unser junger Mann kommt pünktlich zu seiner Spätschicht und verstaut in seinem Spind die anderthalb Millionen, um die man die Landeszentralbank leichter gemacht hat. Und während er wieder in den proletarischen Arbeitsalltag eintaucht, setzen sich die beiden anderen Aktivisten unbehelligt in ihre Ruheräume ab. Das Geld wird man in der Woche darauf holen, ohne Risiko . . .«
    »Sehr lange her, all das, finden Sie nicht?«
    »Gewiss doch«, räumt Berndorf ein, »ich bin auch gleich fertig. Die Aktion ist bereits abgeschlossen, aber dann geht doch noch etwas schief. Die Polizei bekommt einen Hinweis auf jemanden aus dem Umfeld des jungen Mannes, es gibt einen
Einsatz, bei dem ein Unbeteiligter erschossen wird ... Unser junger Mann bekommt kalte Füße, er setzt sich in den Flieger nach Spanien und bleibt gleich die nächsten Jahre dort unten, niemand will etwas von ihm, bis auf ein paar unangenehme Vögel, die die Angewohnheit haben, ihre Zigaretten auf den Armen anderer Leute auszudrücken . . . Aber der inzwischen nicht mehr ganz so junge Mann kann die Vögel überzeugen, dass er das Geld der Landeszentralbank nicht hat, und hat von da an auch keinen ungebetenen Besuch mehr. Keine Polizisten kommen. Niemand kommt.«
    Berndorf wirft einen Blick zu der Frau ihm gegenüber. Sie gibt den Blick zurück, gleichgültig und abweisend.
    »Sehen Sie«, fährt Berndorf fort, »das ist der Punkt, der mich noch immer stört. Mir ist es gleichgültig, ob bei der Aktion gegen die Landeszentralbank eine Frau dabei gewesen ist, oder ob ein Mann mit langen Haaren den Befehl hatte. Spielt alles keine Rolle mehr. Nur, warum hat die Polizei von unserem jungen Mann so gar nichts wissen wollen?«
    »Sollten Sie da nicht besser Ihre Kollegen selbst fragen?«
    »Mein Nachteil ist, ich bin kein Polizist mehr. Vielleicht ist es auch ein Vorteil. Ich kann mir Fragen ausdenken, die nicht einmal meine Kollegen

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