Die schwarzen Raender der Glut
was in den Händen – & den ganzen Shebang outspreaden . . .
Wieder hält Birgit inne und liest stirnrunzelnd, was sie geschrieben hat. Bamboo? Mit einem Bambus, mein Lieber, hat man früher Stabhochsprung getrieben, im vorliegenden Fall könnte davon keinesfalls die Rede sein. Höchstens von Bauchpflatschen. Unsinn. Du wirst ihn wohl sich einbilden lassen, was er will. Entschlossen schreibt sie weiter.
Tamar parkt ihren Wagen auf den reservierten Plätzen der Bahnpolizei, die jetzt Grenzschutz heißt, und zeigt einem strohblonden Uniformierten, der nörgeln will, Zähne und Dienstausweis. Durch Horden kreischender Kinder hindurch drängt sie sich zum Bahnsteig 1. Sie ist in Eile, weil sie denkt, sie sei zu spät dran. Aber dann muss sie doch noch ein paar Minuten warten, bis der Intercity aus Augsburg eintrifft.
Berndorf hatte sie vor einer guten Stunde im Büro angerufen, ob sie sich nicht am Hauptbahnhof zu einer Tasse Tee treffen könnten – »nur ein bisschen über alte Bekannte plaudern, wer so alles wo auf der Pirsch ist . . .« Das treffe sich gut, hatte Tamar gemeint, schon lange habe sie kein waidmännisches Gespräch mehr geführt.
Schließlich rollt der Zug ein, und schon von ferne sieht Tamar, wie Berndorf ihr auf dem Bahnsteig entgegenkommt, noch immer zieht er das linke Bein um ein Geringes nach, die Behinderung ist fast unmerklich, vielleicht nimmt Tamar sie auch nur deshalb wahr, weil sie darauf achtet.
Als er nur noch wenige Meter vor ihr ist, sieht sie, dass er ihr ein kurzes Zeichen mit den Augen gibt, danach aber starr an ihr vorbeisieht und weitergeht. Unbeteiligt blickt sie über ihn hinweg und sucht mit den Augen die Reihen der anderen Fahrgäste ab, die dem Ausgang zustreben, eine Frau fällt ihr ins Auge, sie trägt ein kurzes helles Kleid, das kräftige gebräunte Beine zur Geltung bringt, ein mittelgroßer Mensch
mit krausen dunklen Haaren drängt sich an der erdnahen Schönen vorbei, der Mensch trägt diesmal keine Kniebundhosen, sondern eine sommerliche Kombination . . . Weimers Adjunkt.
Tamar macht einen Schritt zurück und verschwindet hinter einem Cola-Automaten. Der Adjunkt geht an ihr vorbei und bleibt noch immer im unauffälligen Abstand hinter Berndorf. Tamar folgt langsam. In der Halle muss sie sich erst umsehen, schließlich entdeckt sie Berndorf. Er steht vor der Schautafel mit den Abfahrtszeiten. Der Adjunkt hat sich vor dem Obststand aufgestellt und betrachtet die Auslagen. Die gelben krummen Dinger nennen wir Bananen, mein Freund. Berndorf notiert sich, wann er wohin fahren will.
In der Halle sammeln überforderte Lehrer die herumtobenden Kids ein, die man zum Schulausflug hierher gekarrt hat. Neben Tamar steht eine Gruppe von qualmenden Gören: Plateausohlen, die Lippen schwarz geschminkt. Gesprächsthema ist der mutmaßlich neue Freund einer von ihnen, einem Mädchen mit gesträubtem giftlilafarbenen Haar, das sich dazu aber nicht äußert, sondern plötzlich mit dem Hintern zu wackeln beginnt und in eine Art Sprechgesang verfällt: »Nothing is like it seems to be . . .«
»Hey du«, sagt Tamar zu dem Mädchen. »Hast du nicht gesehen, wer da drüben steht?« Sie zeigt zum Obststand. »Das ist einer von den Managern der Backyard Boys, die wollen hier ein Konzert machen . . .«
»Echt?«, fragt das Mädchen.
»Ich sag dir’s doch«, antwortet Tamar und will hinzufügen, dass sie an Stelle der Giftlilafarbenen den Typ auf der Stelle um Karten anhauen würde oder um ein Date im Backstage. Aber da ist die ganze Horde schon ausgeschwärmt und stürzt sich Plateausohlen-klappernd auf den Menschen am Obststand, das Kreischen in der Halle schwillt an, den Schwarzgeschminkten folgen die nächsten Kids, erst einzelne, dann alle, magnetisch zieht der Obststand an, was sich bis dahin in der Halle herumgedrückt hat, hilflos fuchteln Lehrkräfte am
Rande des Gedränges, in dessen Mitte von Weimers Adjunkten schon nichts mehr zu sehen ist.
»Bingo«, sagt Tamar und macht sich auf den Weg ins Bahnhofsrestaurant.
Abschied nehmend blickt Grassl nach rechts, zu den Platanen auf der Neckarpromenade und weiter zu den hochragenden Häusern auf der anderen Uferseite.
»Ach«, sagt neben ihm der Fuchsmajor und lümmelt sich hinter das Steuer seines Käfer-Cabrios, während es vorne an der Ampel noch immer nicht grün wird, »Sie haben doch in Erlangen studiert, sagten Sie, da waren Sie doch sicher bei der Marcomannia?«
»In Erlangen, ja«, antwortet Grassl, und
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