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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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wenn ich das erwarten würde. Trotzdem verstehe ich nicht, warum Sie ausgerechnet den schrägen Vogel decken, der Ihnen damals das faule Ei angedreht hat. Ich begreife, dass diese Person kein Fall für die revolutionäre Justiz mehr ist, weil es diese erstens nicht mehr so recht gibt und sie zweitens sonst zugeben müsste,
dass sie sich hat hereinlegen lassen. Autoritäre Strukturen kennen den Irrtum nicht . . . Aber dieser Mensch, von dem wir reden, ist nun wirklich eine zwielichtige Person. Warum helfen Sie mir nicht, ihn ins rechte Licht zu rücken?«
    »Sie sind noch immer ein Bulle. Was dabei herauskommt, wenn Sie etwas in ein rechtes Licht stellen wollen, kann ich mir sehr gut vorstellen.«
    Sie will nicht mit mir reden, denkt Berndorf. Dabei haben wir doch etwas gemeinsam. Wir habe beide Menschenleben auf dem Gewissen. Eben. Das ist ihr zu viel.
    Er sieht sich im Besuchsraum um. Sauber. Frisch aufgewischt. Die Stores kommen alle zwei Monate in die Anstaltswäscherei. Trotzdem hängt in der Luft dieser kalte Geruch nach Elend, Kernseife und Zigaretten. Berndorf steht auf und geht zum Fenster und schiebt die Vorhänge zur Seite. Über den Mauern sieht er bewaldete Hügel und darüber einen blauen Himmel. In der Ferne ziehen weiße Wolken, hinweg über barocke Kirchtürme und Pflaumenbäume, wohin nur? Dumme Frage. Wohin immer der Wind sie tragen mag.
    »Ich weiß nicht wirklich, was es bedeutet, im Knast zu leben«, sagt Berndorf. »Keiner, der nicht drin war, kann es wissen. Wir draußen gehen hierhin und dorthin, wie es uns gefällt, und es gibt nichts, das uns zwingt und festhält . . .«
    »Geben Sie sich keine Mühe«, antwortet Sabine Eckholtz. »Sie sind doch selbst ein Käfigtier. Und das, was ich abzurechnen habe, erledige ich schon selbst. Irgendwann. Aber Sie sollen nicht ganz umsonst gekommen sein. Etwas habe ich für Sie. Damit dem Hamster nicht das Laufrad einrostet.« Sie lächelt herb. »Es sollte ein Tresor sein, kein Spind. Wenn es stimmt, was man sich in der Szene erzählt hat.«
     
    Donnerstag, 29. Juni. – Trouble mit der Otternbiss. Diese Frau ist inkontinent, lügnerisch und dumm. Fünfte und sechste Stunde Kostümprobe, Solveig bringt es einfach nicht. Vielleicht sollte ich sie einmal so heavy pflöckeln, bis sie voll Rohr ins Kreischen kommt .

    Freitag, 30. Juni. – Solveig vorerst on the rocks. Too much. Nach der Probe waren alle schon up and away, als Bettina neben mir steht. Sie guckt mich an, wartet, bis ich was sagen will, und dann knöpft sie sich ma non troppo die Bluse auf. Kinderüberraschung! No bra. Whow . . .
    Birgit hört auf zu tippen. Wie weiter? Auf dem Flügel, klar doch. Sofern das überhaupt funktioniert. Sie steht auf und geht ins Musikzimmer, wo Hubert Höge auf seinem Steinway irgendwelche Überleitungen einstudiert.
    »Entschuldige die Störung«, sagt Birgit, lächelt das Kannst-du-mir-mal-helfen-Lächeln und lehnt sich mit der Hüfte gegen den Steinway. »Weißt du noch, wann diese Berliner Professorin bei mir war? War das nun am Sonntag oder schon am Samstag? Ich will dieser Frau noch ein paar Zeilen schreiben, und jetzt weiß ich nicht mehr . . . mein beginnender Alzheimer.«
    »Am Samstag«, antwortet Hubert. »Und ich bin joggen gegangen, das war ziemlich gedankenlos von mir . . .«
    »Das Gespräch hätte dich wirklich nicht interessiert«, sagt Birgit und gibt dem Steinway einen kleinen Schubs mit der Hüfte. »Außerdem warst du ein ganz ein Lieber und hast ja noch die Theaterkarten besorgt.« Sie wendet sich vom Flügel ab. Er ist etwas größer als ich. Es müsste gehen.
    Hubert will wissen, wie lange sie noch den Computer braucht. Eine gute Stunde, antwortet Birgit, und Hubert meint, das sei ihm recht, »aber danach würd’ ich noch gern die neue Scheibe von den Backyard Boys besprechen, das ist diese kanadische Group, die jetzt in Deutschland tourt . . .«
    Tu das nur, mein Schatz, denkt Birgit. Die Kids lieben Bertie’s Pop-Corner. Weil, es ist nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Lachen.
    Sie werden beides bekommen. Birgit geht ins Arbeitszimmer zurück und schreibt weiter .
    ... wuchte sie bäuchlings auf den Flügel, kein Slip, very prospective! Wie sie da liegt, seh ich, dass sie die Hand vors Gesicht hält & ihre Nägel beglotzt. Das bringt mich so in die
Gänge, dass ich ihr prestissime ans Pianola gehe. Nur hat sie’s zu dick um die Groove, mein Bamboo flutscht nicht, ich muss ihr die Schenkel hochkranen  – Mann oh Mann, da hast du

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