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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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.« – Berndorf wirft einen abschätzenden Blick auf sein Gegenüber  – »vielleicht haben Sie ihm erzählt, wie die Lehrerin über den Stuhl an Ihrem Tisch stolpert und der Ire sie auffängt, damals an dem späten Vormittag im Quadrätche . . .«
    Der Prediger lacht unfroh. »Ja, gestolpert. Sie kommt herein, sieht ihn, und wie sie ihn sieht, schlenkert sie auch schon ihre Tasche gegen den Stuhl, dass sie im Schwalbenflug in Richtung Tresen schwebt. Aber es hat nicht sollen sein.«
    Berndorf grunzt zustimmend. »Der Ire war schon vergeben?«
    »Die Netze und Leimruten waren schon ausgelegt«, antwortet der Prediger. »Dieser Ire war ein groß gewachsener Mann, mit langen dunklen Haaren und den dunklen Augen, die die Frauen mögen, er sprach gut Deutsch und er hatte diese ungezwungene Art, die manche Menschen haben, wenn Sie wissen, was ich meine. Die Franziska Sinheim am anderen
Tisch hatte das schon lange bemerkt und sprühte Feuer ... Aber ich bin dann gegangen. Ich musste kleine komische Anzeigen akquirieren, wie Sie sagen . . .«
    »Was bedeutet die silberne Kette?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass die Sinheim wenig später einen silbernen Armreif trug, mit blauroten Granatsteinen darauf, das heißt, der Armreif bestand aus lockeren Teilen, die sich ineinander schieben konnten« – mit den zusammengelegten Fingerspitzen beider Hände zeigt er, wie sich die Kettenglieder gegeneinander bewegen konnten –, »man könnte auch sagen, es sei eine Kette gewesen.« Plötzlich lächelt er. »Früher habe ich mal in Idar-Oberstein gearbeitet. Man bekommt da einen Blick dafür . . .«
    Ja so, denkt Berndorf. Er sieht das kleine Tagescafé vor sich, Franziska sitzt ihm gegenüber, der Armreif mit den blauroten Steinen rutscht ihr zum Ellbogen, die ganze Zeit schon hätte er wissen können, was es mit der Kette auf sich hat. »Sie hat sie noch immer«, sagt er, sich aufraffend. »Hat Troppau sie gefragt, wer sonst mit der Sinheim in Beziehung gestanden hat?«
    »Ja, hat er. Aber so genau erinnere ich mich nicht an das Gespräch. Und erst recht nicht an die Zeit damals. Die Menschen dürfen auch vergessen können.«
    »Hat Troppau nicht ganz konkret nach einzelnen Leuten gefragt? Nach einem Ernst Moritz Schatte zum Beispiel, einem freien Mitarbeiter im Feuilleton?«
    »Jetzt, wo Sie es sagen, erinnere ich mich an diesen Namen«, kommt die Antwort. »Allerdings erinnere ich mich daran. Er war ein Kommunist, jawohl, das war er. Was glauben Sie, wie das ist, wenn Sie in einen Lebensmittelladen gehen und eine schöne halbseitige Anzeige vorschlagen fürs Sonderangebot, und der Filialleiter hält Ihnen die Zeitung vors Gesicht, und da steht, in den Bananen kringeln sich Grüne Mambas. . . Da kommt Freude auf. Aber sonst weiß ich nichts über diesen Menschen, und das habe ich Troppau auch so gesagt.«
    »Und was ist mit Steffens? Gerade den müssen Sie doch auch gekannt haben.«

    Der Prediger nickt. »Sicher doch. Ich habe Troppau auch gesagt, dass er wieder im Land ist. Aber das wusste er schon.«
    »Haben Sie mit Steffens über Troppaus Besuch gesprochen?« Ärgerlich blickt der Prediger auf.
    »Ich habe mit Steffens nichts zu tun. Das ist nicht mehr mein Gewerbe.«
    Schön, dass du von deinem Gewerbe sprichst. »Sie haben aber mit Dritten über Troppau gesprochen. Mit Leuten, die noch etwas unangenehmer waren.«
    Das Gesicht des Predigers erstarrt, als habe er die Jalousien heruntergelassen. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Aber sicher doch«, meint Berndorf. »Wir sind gerade zu dem Flugblatt zurückgekehrt. Dem Flugblatt, das diese anderen Leute mitgebracht haben. Diese anderen Leute haben Sie in die Mangel genommen. So lange, bis Sie erzählt haben, was Troppau von Ihnen wissen wollte. Und bis Sie einverstanden waren, dass dieser Wisch in Ihrer Kirche ausgelegt wurde. Vielleicht haben Sie es sogar selbst tun müssen. Das hätten Sie nicht freiwillig gemacht. Sie haben den Troppau vielleicht nicht gerne gesehen. Aber von sich aus hätten Sie ihn nicht bloßgestellt. Er hätte sich revanchieren können.«
    Der Prediger zuckt mit den Achseln. »Was fragen Sie, wenn Sie es wissen? Außerdem waren es Leute aus Ihrer Firma.«
    »Haben die sich ausgewiesen? Oder meinen Sie es nur, weil die Ihr Strafregister kannten?«
    Der Prediger schüttelt den Kopf. »Es gibt Gesichter, die brauchen keinen Ausweis. Es waren zwei Leute, und Sie traten so auf, wie Sie es wahrscheinlich auch tun, wenn Sie ein armes

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