Die schwarzen Raender der Glut
bestätigen müssen. Sie hätten alles getan, um das Gegenteil zu beweisen, wenn sie gekonnt hätten.«
Tomaschewski hebt seine breiten Hände. »Aber eine Verbindung muss es geben. Sonst könnten Sie Busse nicht unter Druck setzen. Und zwar so unter Druck, dass er das hier inszenieren lässt.« Mit dem Daumen zeigt er in die Richtung der Abstellkammer.
»Tja«, meint Franziska. »Polizist bleibt Polizist. Sie können vermutlich nicht anders. Ich habe einen Fehler gemacht, Sie anzurufen.«
Tomaschewski schüttelt den Kopf. »Kein Fehler. Sehen Sie, diese Inszenierung mit der Schaufensterpuppe, dem Spielzeugpolizisten, dem Recorder, der auf Funkbefehl eine Cassette abspielt – das sind, für sich genommen, alles Lappalien, man braucht keine allzu speziellen Kenntnisse dazu, um sich das Gerät zu besorgen und es einzusetzen. Sicher, man muss sich Zutritt zu dem Haus verschaffen und beobachten, wann Sie zurückkommen. Aber auch das ist nicht allzu schwierig. Ich habe mir vorhin das Kellergeschoss angesehen. Es hat eine Außentüre, die sich mit einem einfachen Dietrich öffnen lässt. Kein Problem, nirgends. Offenbar gut versichert, diese Versicherung hier im Haus. Aber wenn man alles zusammennimmt, und wenn man außerdem berücksichtigt, dass der Regisseur nur wenige Stunden Zeit gehabt hat, dann muss man diese Inszenierung ernst nehmen.«
»Und was heißt das?«
Tomaschewski starrt wieder auf seine Kaffeetasse. »Das heißt, dass Sie hier nicht allein bleiben sollten. Ich meine, Sie sollten mit mir kommen. Zu mir.«
Über der Biscaya braut sich eine unheilschwangere Wolkensuppe zusammen, so hat es am Morgen der Wetterprophet des
Frühstücksfernsehens mitgeteilt, bekümmert hing ihm dabei seine gelbe Fliege vom Hals, als sei sie schon jetzt begossen. Inzwischen ist es ein grauer und bedeckter Nachmittag, noch nicht gewitterträchtig und doch bedrückend. Die Straßen sind staubig und leer. Ein Halbwüchsiger stellt sein mit Zeitungsstapeln voll gepacktes Fahrrad vor einem Wohnblock ab und verteilt das Blatt in den Briefkästen. Ein Taxi biegt in die Straße ein und hält, der Fahrgast steigt aus und gibt dem Jungen einen Fünfer für das Blatt, was dem Jungen auch noch nicht passiert ist, denn das Anzeigenblatt Umsonst & Überall gibt es zwar nicht wirklich überall, aber immer umsonst.
Der Fahrgast steigt ein, und das Taxi fährt weiter, bis es vor einem Haus hält, dessen Giebelseite ein hohes, mit Glühbirnen versehenes Kreuz ziert. Berndorf steigt aus, das Anzeigenblatt in der Hand, drückt dem Taxifahrer einen Schein in die Hand und sagt ihm, er soll warten. »Das dauert nicht lange.«
Er geht an dem Vorgarten vorbei zur Tür des Wahrhaftigen Wortes, und als er an einem Topf mit Geranien vorbeikommt, zupft er sich eine blassrote Blüte ab. Dann hält er den Finger auf der Klingel, bis ihm eine schmale blasse Frau öffnet, sie hat Augen, denen man nichts vormachen kann und die auch schon weniger fromme Tage gesehen haben; tut nichts, denkt Berndorf, wenn man es an den Füßen hat, kommt es auf die Salbe an, nicht auf die Sünderin.
Bevor sie über den Klingellärm zetern kann, hält er ihr seine Visitenkarte hin, die, auf der noch der Stern mit den drei Stauferlöwen drauf ist.
»Ich hätte gern Herrn Wehlich gesprochen, Friedemann Wehlich.«
Die Frau hat nur einen flüchtigen Blick auf die Visitenkarte geworfen. Die Karte hat ihr nicht gefallen, das sieht Berndorf, aber nach der Hundemarke fragt sie nicht.
»Der Prediger ist jetzt nicht zu sprechen«, sagt sie abweisend. »Er betet.«
Zwiesprache mit seinem HERRN. Ringt um einen neuen Dekalog?
Du sollst deinen Anzeigenakquisiteur lieben und ehren und seine Provisionsabrechnungen nicht anzweifeln. »Sie werden ihn leider stören müssen«, sagt er so höflich, als es ihm möglich ist. »Es ist wichtig. Auch für seine« – er zögert – »für seine weitere Arbeit.« Er versucht, mit seinen Augen den Blick der Frau festzuhalten. Glaub mir. Es wird ernst für euch.
Die Frau zögert. Dann zuckt sie die Achseln und lässt ihn herein. Berndorf findet sich in dem Büro des Predigers wieder, und wieder betrachtet er das Plakat mit den großen, grob gemaserten Druckbuchstaben. Im Anfang war das Wort , warum hab ich nicht sofort gesehen, aus welcher Branche er kommt, denkt Berndorf und legt das Anzeigenblatt vor sich auf den Schreibtisch. Staatsknete für Glatzen-Treff hat Micha Steffens seinen Aufmacher getitelt, und zweispaltig knallt
Weitere Kostenlose Bücher