Die schwarzen Raender der Glut
Gasse steht. Die Bratpfanne liegt neben ihr auf dem Boden.
Das Jaulen des Martinshorns kommt näher.
»Hören Sie, Steffens«, sagt Berndorf, über den Mann auf dem Boden gebeugt, »der Tresor – wo stand der Tresor?«
»Im Lokalen«, sagt Steffens, »wieso . . .« Aber dann kippt er wirklich weg.
Jaulend und mit Blaulicht biegt ein Streifenwagen um die Ecke. »Kommen Sie«, sagt Berndorf zu Birgit und greift sich ihren Arm, »wir gehen hier . . .«
Der Streifenwagen hält bei dem Mann, der noch immer auf dem Pflaster kniet. Berndorf und die Oberstudienrätin Höge verschwinden in einer Seitengasse.
In einer Seitenstraße im Frankfurter Nordend hat Florian Grassl ein Zimmer in einem kleinen Hotel gefunden. Das Hotel wäre eines für Staubsaugervertreter, wenn es die noch gäbe, das Zimmer hat eine tropfende Dusche und eine Tapete mit Sonnenblumen und ein Fenster über einem Lichtschacht, aus dessen Tiefen der Küchendunst eines chinesischen Restaurants hochquillt.
Tut nichts, denkt Grassl, plötzlich hat er Appetit auf Ente süßsauer, vorhin hat er Kassensturz gemacht, von den Füchsen der Suevo-Danubia waren 500 Mark und ein paar Zerquetschte für die Not leidende deutschsprachige Literatur des Elsass zusammengekommen . . .
Lustig, dass der Fuchsmajor sie ihm gelassen hat. Hat er nicht daran gedacht? Nein, denkt Grassl. Der Fuchsmajor hatte keine Lust, das Geld seinen Jungstudis zurückzugeben. Es wäre ihm peinlich gewesen. Er hätte zugeben müssen, dass er sich hat austricksen lassen. Immer den Anschein wahren.
Na ja, weit kommst du nicht mit den paar Mark. Und das Konto ist leer. Aber das muss nicht so bleiben. Morgen hast du den ersten Termin in den Banktürmen. Lebbe geht weiter . Wer hat das gesagt? Ein Frankfurter, na also . . .
Entschlossen rafft sich Grassl auf und verlässt sein Zimmer, um mit dem hinfällig ächzenden Fahrstuhl zum Restaurant hinunterzufahren.
Das Taxi, das Berndorf aufgetan hat, hält vor dem Heidelberger Hauptbahnhof, weil Berndorf seine Reisetasche aus dem Schließfach holen muss. Außerdem will er an einem Automaten einen Tausender abheben, denn die Taxen und italienischen Abendessen und das Hotel, das er sich erst noch suchen muss, laufen ins Geld. Wie waren eigentlich, so überlegt er sich beim Rückweg, die notorisch klammen Helden des amerikanischen Kriminalromans zurechtgekommen, von Nestor Burma ganz zu schweigen? Kein Schwein hat je davon gelesen, dass Lew Archer oder Sam Spade hätten klein beigeben müssen, nur weil sie keinen Dollar mehr fürs Taxi hatten.
Im Taxi empfängt ihn Birgit vorwurfsvoll. »Ich dachte schon, Sie überlassen mich hier meinem Schicksal und diesem Taxameter.«
»Keine Sorge«, antwortete Berndorf. »Ich bringe Sie jetzt nach Hause.« Der Taxifahrer fährt an, und Berndorf nennt ihm die Adresse.
»Ach ja?« Birgits Stimme klingt halb spöttisch, halb enttäuscht. »Irgendwie dachte ich, bei einer Entführung käme da noch etwas anderes.«
Berndorf schweigt.
»Da hätten wir dann ja auch auf die Polizei warten können. Ich bin nämlich eine gesetzestreue Bürgerin.«
»Und morgen haben Sie wieder Schule«, fällt es Berndorf ein. »Sie werden mir noch dankbar sein.«
Nein, denkt Birgit, morgen habe ich nicht Schule.
Für morgen haben wir das Programm ein wenig geändert. Morgen werde ich krank sein. Wenn der Schlüsseldienst da war und die Schlösser ausgetauscht sind und die Spedition den Flügel rausgehievt hat und Huberts Plattensammlung, dann werde ich zu Armand gehen und ihm eine kleine, perfekte, umwerfende Störung des vegetativen Nervensystems hinlegen, dass er mich mindestens für eine Woche krankschreiben muss.
Das Taxi hält vor dem Höge’schen Bungalow. Berndorf steigt aus und hält Birgit die Tür auf. »Wenn Sie meinen«, sagt
sie und steigt aus, langsam, damit ihre kurz berockten Beine auch zur Geltung kommen. »Netter Abend«, sagt sie, »den Italiener werde ich mir merken . . . das Dessert ließ allerdings zu wünschen übrig.« Im Bungalow geht das Licht an, die Haustüre öffnet sich, Hubert Höge erscheint, er trägt Shorts und das Licht spielt um seine behaarten muskulösen Beine. Besorgt fragt er ins Dunkle: »Birgit, bist du das?«
Birgit wendet sich ab. »Noch etwas«, sagt sie zu Berndorf, »sollte ich wegen dieser Schlägerei auf der Straße nicht zur Polizei gehen? Die brauchen doch sicher meine Aussage.«
»Sicher können Sie das«, meint Berndorf und nickt dem Mann an der Türe zu.
Weitere Kostenlose Bücher