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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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»Aber seien Sie nicht zu enttäuscht, wenn der Aufklärungseifer meiner Kollegen ein begrenzter sein sollte. Ein sehr begrenzter.« Im Nachtlicht sieht er ihr ins Gesicht. »Ich werde Sie noch einmal besuchen, an einem der nächsten Tage.« Dann dreht er sich zum Wagen um und nennt die nächste Adresse. Das Taxi verschwindet in der Nacht.
    »Was treibst du? Und wer ist dieser Kerl?«
    Birgit geht an Hubert Höge vorbei. »Ein Mann. Du brauchst nichts über ihn zu wissen. Ihr habt nichts gemeinsam.«
     
    Hoch überm Kopfsteinpflaster, das sich den Berg hinaufzieht, ahnt der nächtliche Spaziergänger die Doppeltürme der Bensheimer Stadtkirche. Es geht auf Mitternacht zu, Schweigen hat sich in der kleinen Stadt breit gemacht, einzelne Lichter brennen noch in den wohlgefügten wohlgedrechselten Fachwerkhäusern links und rechts der Gassen und des Platzes, auf dem Berndorf steht und sich umsieht.
    Vor einer halben Stunde hat er unten an der Hauptstraße ein Hotelzimmer bekommen, was tun mit dem knappen angebrochenen Abend? Es war keine Zeit, um noch anzurufen, aber wer hätte ihn hindern wollen an einem kleinen Abendspaziergang. . . In der Rezeption hatte er sich einen Stadtplan von Bensheim geben lassen, zu der Adresse, die er sich im Internet besorgt hatte, war es kein weiter Weg, er musste nur die Altstadt hinaufgehen.

    Es ist ein schmales Haus, wie eingezwängt zwischen zwei großen Bürgerhäusern, das Fachwerk hat sich ein wenig ins Schiefe verschoben, wie das nur echtes Fachwerk tun kann. Selbst im Licht der Straßenlaternen erkennt Berndorf, dass das Haus sorgfältig hergerichtet ist, das Schnitzwerk an den Balken schimmert glatt und unversehrt, Türen und Fensterstöcke sind solide gearbeitet. Aus den Fenstern im ersten Stock fällt warmes Licht, nicht das blaue der Bildschirme.
    Berndorf tritt näher und drückt auf den Klingelknopf, entschlossen und nachdrücklich. In dem Haus rührt sich nichts. Berndorf wartet.
    »Bitte?«
    Berndorf sagt seinen Namen, und dass er Herrn Winfried Busse sprechen wolle.
    »Wissen Sie, wie spät es ist?« Die Stimme, die aus der Gegensprechanlage dringt, klingt – wie überall – auch hier verzerrt. Aber Berndorf kann sich erinnern. Es ist noch immer der höfliche, kultivierte Tonfall, den er von dem Anrufbeantworter her kennt.
    »Ich kann es Ihnen sagen«, antwortet er. »Es ist 23.42 Uhr, wenn meine Taschenuhr nicht vorgeht.«
    »Zu aufmerksam. Warten Sie.«
    Berndorf wartet und blickt zu den Türmen hoch. Irgendwie sehen sie nicht ganz authentisch aus. Vielleicht ist alles nur gelogen. Auch das Fachwerk, das so aussieht, als hätte der Schnitzer erst letzte Woche das Messer weggelegt.
    Plötzlich hört er leichte Schritte, die eine Treppe herunterkommen.
    Die Tür öffnet sich, ein schlanker, mittelgroßer Mann mit kurzen blonden Haaren steht vor Berndorf.
    »Je später der Abend ...«, sagt er. »Aber treten Sie doch ein.« Berndorf deutet eine leichte Verbeugung an und geht an ihm vorbei in einen dunklen, holzgetäfelten Flur. Irgendetwas stimmt mit ihm nicht, denkt er. Dann sieht er es. Irgendein Türpfosten muss gegen den jungen Mann gelaufen sein und ihn im Gesicht erwischt haben.

    »Sie sollten einen Umschlag mit essigsaurer Tonerde machen«, sagt er und deutet auf das verschwollene rechte Auge des Blonden.
    »Sie sind wirklich sehr aufmerksam«, kommt die Antwort, »aber zunächst müssen wir uns um unsere Gäste kümmern. Ich bin übrigens David.« Er geht Berndorf eine steile Holztreppe voran, das Holz ist alt und schwarz gebeizt.
    Oben führt er Berndorf in ein großes, helles Wohnzimmer. Die Vorhänge sind nicht zugezogen, Bücherregale füllen die Wände, als Sitzmöbel dienen dunkle Holzstühle mit kunstvoll gedrechselten Rückenlehnen.
    Vor einem der Regale steht ein nackter, nervig-muskulöser männlicher Bronzetorso. Auf einem Eichentisch sind Bücher und Zeitungen gestapelt. Nicht ins Ambiente passt ein Liegesessel am Fenster, der nach Pflegeheim aussieht, vielleicht auch deshalb, weil der Mann, der darauf liegt und ein Plaid über den Knien hat, blass und hinfällig wirkt, die Augen tief in ihren Höhlen.
    »Guten Abend allerseits«, sagt Berndorf, weil sich in dem Raum noch zwei andere Menschen aufhalten. Rechts von ihm hat auf einem der Holzstühle Franziska Sinheim Platz genommen, die grauen Haare kühn und ungebändigt wie immer. Sie hat die Hände im Schoß gefaltet, und der Armreif, der vielleicht auch eine Kette ist, eine silberne Kette mit

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