Die schwarzen Raender der Glut
rötlich blauen Steinen, ist bis aufs Handgelenk gerutscht. Sie sieht nur kurz zu ihm hin und blickt rasch wieder weg.
Neben ihr sitzt ein stämmiger Mann, leichtes Übergewicht vom Kantinenessen, das Haar angegraut, Jackett im preisbewussten Beamtenkaro, Berndorf schätzt ihn auf gut und gerne 30 Dienstjahre, nur der Gesichtsausdruck passt nicht ganz ins Raster. Ein wenig konsterniert, leider. Berndorf wirft einen Blick auf die Arme des Mannes, die dieser vor der Brust verschränkt hat. Die Knöchel der rechten Hand sind etwas aufgeschlagen.
Also dieses war der Pfosten, gegen den David gelaufen ist. Ein knackiger rechter Haken. Nur war damit nichts entschieden,
durchaus nicht, so, wie Franziska und der Kollege da hocken. »Guten Abend, Herr Berndorf«, sagt der Mann im Liegesessel. »Wir kennen uns. Sie haben sich weniger verändert, als es bei mir der Fall ist. Sie sind zu beglückwünschen.«
Berndorf erinnert sich. Vor 28 Jahren war Winfried Busse ein zurückhaltender junger Mann gewesen, schon damals blass, mit starkem Bartwuchs. Sie hatten einige Male miteinander gesprochen, Busse war aufmerksam und nachdenklicher als sonst die Leute in seiner Branche.
»Wir verändern uns alle«, antwortet Berndorf und wirft einen Blick auf Franziska und den Mann mit den aufgeschlagenen Knöcheln.
»David hat sich Ihnen sicher vorgestellt«, sagt Busse. »Er ist mein Partner. Franziska kennen Sie, sie hat uns heute etwas überraschend aufgesucht und den Herrn da mitgebracht, dessen Namen ich mir nicht merken kann . . .«
»Tomaschewski«, sagt der Mann neben Franziska, »Polizeidirektion Mannheim, Raubdezernat.«
Du Narr, denkt Berndorf. Bensheim ist hessisch. Niemals bist du dienstlich hier.
»Ich nehme allerdings an, dass dies hier ein eher privates Treffen ist«, fährt Busse fort. »Und bitte – nehmen Sie doch Platz.« Berndorf sieht sich um und greift sich einen Holzstuhl mit Lehne, der nicht nur antiquarisch, sondern auch etwas weniger unbequem aussieht als die übrigen freien Sitzmöbel. In seinem Rücken steht David, an die Tür gelehnt.
»Vielleicht sollten Sie uns jetzt sagen, was Sie hier hergeführt hat.«
Ja, das sollte ich wohl. Noch einmal das alte Lied. »Am 23. Juni 1972 sind bei einem Überfall auf einen Geldtransport der Landeszentralbank in Mannheim anderthalb Millionen Mark erbeutet worden. Die Täter wurden nie gefasst, sicher ist aber, dass der Anzeigenmetteur Micha Steffens und die Terroristin Sabine Eckholtz beteiligt waren sowie ein mir nicht namentlich bekannter Agent des Verfassungsschutzes.«
Er unterbricht sich kurz. Verfassungsschutz? Sicher doch.
Warum sonst wären ihm heute Morgen die Schlapphüte nachgeschickt worden . . .
»Vorbereitet hat diese Aktion Frau Sinheims früherer Ehemann Ernst Moritz Schatte«, fährt Berndorf fort, »und zwar im Auftrag des Verfassungsschutzes. Einziger Zweck war es, dem Undercover-Agenten zu einer glaubhaften terroristischen Legende zu verhelfen.« Berndorf wirft einen kurzen Blick zu Franziska. Aber sie hat die Augen gesenkt.
»Aus Gründen, die Ihnen alle bekannt sind, scheiterte das Projekt. Es gab einen Toten, Steffens verlor die Nerven und setzte sich ab. Außerdem verschwand das Geld, das eigentlich in einem Tresor der Lokalredaktion hätte gebunkert werden sollen. Der Agent des Verfassungsschutzes wurde zurückgezogen, und die tatsächlichen Vorgänge sind bis heute vertuscht worden.« Er blickt zu Busse, und dann wieder zu Franziska. Sie schaut noch immer nicht auf. »Was ich nicht verstehe – wozu braucht eine Lokalredaktion einen Tresor?«
»Das Ding war ein Erbstück der Nazizeit«, erklärt Busse. »Der Aufbruch hatte 1945 das Gebäude und Inventar einer Mannheimer Nazizeitung übernommen. Darunter war auch der Stahlschrank, in dem vor 1945 die täglichen Sprachregelungen weggeschlossen werden mussten, die Goebbels’ Reichspresseamt herausgab. Im Aufbruch haben wir den Kasten benutzt, um vertrauliche Unterlagen aufzubewahren – wenn uns mal jemand solche geben wollte . . .«
»Geschichten, bei denen vertrauliches Material gesichert werden muss, fallen meist in das Ressort des Polizeireporters, nicht wahr?«
»Ja«, stimmt Busse zu, schmallippig.
»Und deswegen besaßen Sie auch einen eigenen Schlüssel. . .«
»Natürlich hatte ich einen Schlüssel«, sagt Busse leise. »Allerdings nicht den einzigen.«
»Nein«, bestätigt Berndorf. »Nicht den einzigen. Es gab noch einen anderen Schlüssel, und den bekam Steffens. Um
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