Die schwarzen Raender der Glut
er zwischen zwei Bäumen in einer Seitenstraße geparkt hat, und geht unter den Straßenbäumen zu dem von der Straße zurückgesetzten, spitzgiebligen Haus mit graublau gestrichenem Fachwerk. Eine Messingtafel teilt mit, dass sich hier das Institut für Geopolitik und Kommunikationswissenschaft befindet. Er klingelt, und obwohl es Samstag ist, wird ihm geöffnet.
Er betritt eine holzgetäfelte Eingangshalle, in der ihm die junge Frau entgegenkommt, der das flachsblonde Haar zu beiden Seiten der Ohren herabhängt. Die Frau trägt einen weiten Rock und eine knappe weiße Bluse. Überrascht, aber nicht erfreut betrachtet sie Berndorf, als habe sie jemand anderes erwartet. »Wir haben uns schon einmal gesehen«, sagt Berndorf, »auf der Beerdigung des unglücklichen Herrn Zundt.« Dann nennt er seinen Namen und fragt, ob er Professor Schatte sprechen könne.
Der Herr Professor sei nicht da, kommt die Antwort, »ich weiß auch nicht, ob er heute ins Institut kommen wird . . .«
»Kann ich ihn zu Hause erreichen?«
Die junge Frau hat graue Augen, deren Blick nicht freundlicher wird.
»Über die Privatsphäre des Herrn Professors kann ich Ihnen keine Auskunft geben . . .«
Berndorf dankt und geht.
»Trinken Sie wirklich keinen Kaffee?«, fragt Birgit den Beamten, der sie an diesem Morgen unter vielen Entschuldigungen aufgesucht hat, weil er diese bedauerliche Geschichte mit Herrn Hubert Höges Homepage . . .
»Aber selbstverständlich müssen Sie das untersuchen«, hatte ihm Birgit geantwortet, »ich hätte schon von mir aus darauf dringen sollen, aber als Ehefrau gilt man doch als befangen, oder wie sagen die Juristen dazu?«
Inzwischen ist man im Wohnzimmer angelangt, der Kripo-Beamte muss einräumen, dass eine Tasse Kaffee keine Bestechung darstellt.
»Da bin ich aber froh«, sagt Birgit und schenkt ein, »ich mag es nicht, wenn Sie so trocken dasitzen, und ich brauch irgendetwas, nach diesen Tabletten, die ich genommen habe, ich muss ja auch zum Schlafen kommen, gerade nach einer solchen Geschichte . . .«
Sie greift nach dem Papiertaschentuch und tupft sich die Augen ab.
Der Beamte nickt Anteil nehmend und verständnisvoll. Nach einigem Räuspern meint er dann, dass er sich doch gerne einmal den PC des Herrn Höge ansehen würde . . .
»Der ist nicht mehr hier«, antwortet Birgit mit Entschlossenheit. »Das war das Erste, was ich getan habe. Ich habe die nächstbeste Spedition angerufen und gesagt, sie sollen das alles forttun oder in ihre Lagerhallen stellen, alles, was meinem Mann gehört, und vor allem dieses abscheuliche Gerät, wo diese widerlichen Sachen drinstehen . . .«
»Diese Seite steht nicht in seinem PC, sie steht im Internet«, wendet der Beamte vorsichtig ein.
»Davon verstehe ich nichts«, erklärt Birgit. »Er hat das in dieses Gerät geschrieben, also steht es auch da drin, und ich hab es wegbringen lassen, damit es aus dem Haus ist. Basta!«
Der Beamte fragt nach der Spedition, und Birgit holt das Telefonbuch. Den Namen der Firma hat sie angekreuzt.
»Außer Ihrem Mann«, fragt der Beamte, »hat niemand Zutritt zu dem Gerät gehabt? Ich meine, außer Ihnen und ihm? Zum Beispiel am vergangenen Mittwochnachmittag?«
»Diese Frage verstehe ich nicht«, antwortet Birgit und runzelt die Stirn. »Wer sonst soll hier Zutritt haben? Meinen Sie vielleicht« – silberhelles Auflachen –, »ich hätte mich an diesem Gerät vergriffen? Ausgerechnet ich, die man am meisten bloßgestellt hat?« Beschwichtigend hebt der Beamte beide Hände. »Schon gut«, sagt Birgit, »Sie tun nur Ihre Pflicht. Aber am Mittwochnachmittag waren wir beide hier, mein Mann und ich. Dann hat er seinen Waldlauf gemacht, wie er mir immer gesagt hat, jetzt wissen wir ja, was es wirklich war . . . Aber ich war dann nicht allein. Ich habe Besuch bekommen.« Sie macht eine Pause. »Von einem Bekannten.« Scheues Lächeln. »Er ist oder war Polizist. Wie Sie. Ich gebe Ihnen seine Karte . . .«
Das niedergezogene, geduckte Walmdach ist mit Schiefer gedeckt, und die Wände sind mit Schindeln verkleidet. Die Fenster in ihren Metallrahmen spiegeln schwarz den Himmel. Über den Rasen und die Koniferen des Gartens kann man über das Rheintal hinweg unter dichten Wolkenfeldern die blaue Kammlinie der Vogesen sehen. Es ist kein Garten, aus dem Kirschen zu stehlen wären oder Rosen. Trotzdem ist er eingefasst von einem hohen Metallzaun. Warum nicht auch noch NATO-Draht, denkt Berndorf und sieht sich um.
Vor dem
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