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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Fenster, niemals käme er da hindurch, vielleicht kann er eine von den Latten des Verschlags aufwuchten, aber dann fällt ihm ein, dass sie seinen rechten Arm mit einer Handschelle an den Pfosten der Koje gefesselt haben, wieder reißt der Himmel draußen auf, aber das Mondlicht tut seinem Kopf weh, und er schließt die Augen.
     
    Weiße Beine gespreizt. Alabasterweiß im Weichzeichner. Zweimal zwei braune Beine irgendwie dazwischen. Irgendwie keine Schwänze. Alles reingesteckt und aufgeräumt. Titten hüpfen wie Wackelpudding. Mündchen gespitzt. Stöhnen vom Band. Wer gähnt?
    In der Zweizimmerwohnung, die er seit seiner Scheidung bewohnt, wuchtet sich der Kriminalhauptkommissar Sielaff
aus dem Fernsehsessel und schaltet die Glotze aus. Ein Elend, das. Als erwachsener Mann. Was tun?
    Im Pfaffengrund. Schickes kleines Etablissement. Frische polnische Ware. Hochwangig. Grüne glitzernde Augen. Zu spät. Eins von den Bieren war wohl nicht. Schwamm drüber. Morgen ist auch.
    Das Telefon klingelt.
    Verpisst euch. Keine Bereitschaft. 235 Überstunden.
    »Berndorf hier.«
    »Verpiss dich. Weißt du, wie spät . . .«
    »Ihr hattet eine Schlägerei in Leimbach. Mit Skinheads. Zwei Verletzte. Micha Steffens, Kai Habrecht. Bist du informiert?«
    »Jein. Was geht dich das überhaupt an?«
    »Was ist Steffens passiert?«
    »Rübe gedellt. Geht mich nichts an. Nichts Ernstes also. Was geht . . .«
    »Habt ihr diesen Habrecht vernommen?«
    »Höre. Du bist aus dem Spiel. Wie oft . . .«
    »Habt ihr ihn nun vernommen oder nicht?«
    »Jein. Der Knabe ist . . . Stopp. Ich weiß nicht, in was für einer Geschichte du drinsteckst. Ich will es auch gar nicht wissen. Ich kann dir nur sagen, was sie uns auch gesagt haben. Von diesem Vöglein fein soll der Greifer die Greifer lassen. Ende der Botschaft.«
    »Ein Täuberich, wie?«
    »Denk dir doch, was du willst . . .«
    Hörer drauf. Aber mit Schmackes. Ab ins Bett. Leckt mich. Alle.
     
    Auch Berndorf legt den Hörer auf und lehnt sich auf seinem Holzstuhl zurück. Der Schmerz in seinem Bein ist stärker geworden.
    »Hat Ihnen Ihr Freund behilflich sein können?«, fragt Commissaire Jean-Christoph Mueller von der anderen Seite des Schreibtischs.

    Berndorf zögert. Wie sag ich’s meinem Kinde? Schluss. Keine Umwege mehr. »Es sind drei Probleme. Erstens. Sie haben noch jemanden, der hier mitspielt. Zweitens. Wenn ich mich nicht sehr irre, handelt es sich dabei um den baden-württembergischen Verfassungsschutz. Drittens brauche ich ein paar Stunden Schlaf. Ich brauche sie jetzt . . .«
    »Ich kann Ihnen ein Notbett bringen lassen«, sagt Mueller und greift zum Hörer. »Unsere Zellen riechen nicht so gut . . . Wie sicher ist Ihre Information über diesen« – er zögert – »diesen anderen Mitspieler?«
    »Was ist schon sicher in diesen Zeiten?«

Samstag, 8. Juli
    Rosenfingrig breitet sich im Osten, über den Bergrücken des Schwarzwalds, die Morgendämmerung aus, noch sind die Farben des Tages und des Waldes grau, abgesehen von den geschwärzten Gesichtern der Bereitschaftspolizisten, die sich lautlos zwischen den Bäumen verlieren, die Maschinenpistolen umgehängt, einige schleppen tragbare Scheinwerfer den Berg hoch, die anderen schwärmen links und rechts des kleinen, kaum wieder zu erkennenden Pfads aus, den Berndorf sie hinaufführt . . .
    Zwei oder drei Stunden hat er tief und traumlos auf einem Notbett im Büro mit dem hohen Fenster geschlafen, kein Schatten, keine Erinnerung hat ihn aufgestört, danach hat er in den Mannschaftsräumen im Keller der Präfektur geduscht und sich sogar rasieren können, irgendwann in der Nacht hatte ihm jemand seine Reisetasche ins Zimmer gestellt, also war der Peugeot wohl auch eingetroffen.
    Noch immer schmerzt das Bein, aber Jean-Christoph Mueller hat aus den Beständen der Präfektur eine Krücke mit Armschiene aufgetrieben, und so humpelt Berndorf hangaufwärts, im Frühtau zu Berge, ja pfui Teufel!
    Es ist der gleiche Weg, aber sie kommen kaum schneller voran als Berndorf gestern, und da war er behutsam genug gegangen. Zu viel der Vorsicht? Plötzlich fallen ihn hinterrücks Zweifel an, und während die Kette der schwarz uniformierten Männer durch den Wald nach oben vorrückt, malt sich Berndorf selbstquälerisch aus, wie das sein wird, wenn sie da oben zwei friedlich
campierende Wanderer aus dem schnarchtiefen Schlaf aufstören, wie eine markerschütternde, eine die Berge zerreißende Lächerlichkeit über ihm zusammenschlagen wird

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