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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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nicht der Unterricht.«
    »Danke«, sagt Hubert und setzt sich, Birgit gegenüber, an ihren Tisch. Mit einer mechanischen Geste nimmt er seine Bifokal-Brille ab und beginnt, sie mit einem kleinen weißen Tuch zu putzen. Birgit mag es nicht, wenn er die Brille abnimmt. Seine Augen sehen dann klein und müde aus, als wäre aller Schwung nur eine Maske gewesen, an die Brille angeheftet und mit ihr abgelegt.
    »Wenn du willst, kannst du nachher den Wagen haben«, sagt er. »Ich weiß nicht, wann ich heute hier rauskomm. Mit den Dekorationen gibt es auch noch Ärger.«
    Du weißt nicht, wann du hier rauskommst. Aus was oder wem raus? »Ist mir recht. Ich muss sowieso noch Katzenfutter holen.«
     
    Auf dem erhöhten Richtertisch stecken die drei Berufsrichter die Köpfe zusammen und tuscheln. Dann zieht der Vorsitzende Richter das Mikrofon zu sich heran und teilt mit, dass nun doch noch weitere Zeugen geladen werden müssten und die Verhandlung deshalb bis zum Nachmittag unterbrochen werde. Die beiden Burschen auf der Anklagebank grinsen. Der Mann im dunklen, schmal geschnittenen Anzug neben ihnen hebt die Augenbrauen.
    Erleichtert steckt sich Franziska Kugelschreiber und Notizblock in die Jackentasche. Wieder ein Vormittag, an dem sie nichts verdient hat. Aber wenigstens kann sie diesen fensterlosen Saal verlassen, den sie schon immer als beklemmend empfunden hat, dunkel, schäbig, schlecht beleuchtet, von miserabler Akustik, eine Vorhölle. Die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren! Irgendwann wird sie eine Geschichte über die Schwurgerichtssäle der Republik schreiben, einen Rundgang durch die Architektur der Einschüchterung, vom gemütlichen
dielenknarrenden bayerischen Schwurgericht mit dem Kreuz und den knackig langen Freiheitsstrafen über die Stuttgarter Festungsarchitektur zum wilhelminischen Götterdämmerungstribunal in Braunschweig. Und Mannheim wäre das Exempel für die Verbunkerung der Justiz.
    Ja, irgendwann.
    Eisholm, einer der Verteidiger, den Talar über den Arm gehängt, kommt auf sie zu. »Da werden Sie heute aber wenig Honig gesaugt haben«, sagt er. Er ist ein hagerer groß gewachsener Mann mit grauer Mähne und hellen Krähenaugen.
    Franziska zuckt mit den Schultern. »Was halten Sie von einer netten kleinen Geschichte über skrupellose Anwälte, die einen Prozess bis zum Nimmerleinstag verschleppen?«
    »Wer verschleppt denn hier? Was wollen Sie denn machen bei einer Anklage, die auf dem nackten brüllenden Nichts aufgebaut ist? Die Hände falten und sagen, ja, liebes Gericht, an der Anklage ist zwar nichts dran, absolut nichts, aber damit uns nur ja niemand Prozessverschleppung vorwirft, verurteilen Sie bitte meinen Mandanten und stecken ihn ins Loch ...«
    Eisholm, zu diesem Behuf eigens aus München geholt, verteidigt den Mann im dunklen Anzug, einen Manager aus der mittleren Führungsebene eines Brauerei-Konzerns und dort für die Immobilien zuständig. Eine davon, eine heruntergekommene Kneipe mit noch heruntergekommeneren Wohnungen darüber, war abgebrannt, und in den Wohnungen hatte die Feuerwehr die verkohlten Leichen von zwei Sozialhilfeempfängern gefunden.
    Franziska schüttelt den Kopf. Dann kommt ihr ein Gedanke. »Trinken wir einen Kaffee zusammen?«
    »Gerne«, meint Eisholm und lächelt geschmeichelt. Er hat es schon immer für hilfreich fürs Image gehalten, wenn Journalistinnen den Kontakt zu ihm suchen.
    Sie treten zusammen aus dem Gerichtsgebäude, das sich vor dem Anblick des Mannheimer Schlosses auf der anderen Seite der Allee klein und unbedeutend ausmacht. Es ist wieder heiß geworden, am Abend soll es Gewitter geben.

    »Sie können mir dann erklären, warum es nicht den Gepflogenheiten Ihres Mandanten entspricht, diese Bruchbude abfackeln zu lassen, und was in dieser Branche überhaupt geschäftsüblich ist.«
     
    »Ich sag dir, ich war hackedicht zu, so was von breit und knülle, ich hab dem Prof seinen Assi für Kowalskis Fuchs gehalten, das ist auch so ein bebrillter Warmduscher . . .«
    Der Zug rollt über den Viadukt bei Bietigheim. War das der Neckar? Unsinn, es ist die Enz. Berndorf schließt die Augen und versucht, den jungen gesichtsfleckigen Mann am Fensterplatz ihm gegenüber telekinetisch aus seinen Gedanken und – vor allem – aus dem Zug zu entfernen. Irgendwie geht es nicht. Er öffnet die Augen wieder und schlägt den Hebel-Band auf.
    . . . und sie saumte vergeblich selbigen Morgen ein schwarzes Halstuch mit rotem Rand für ihn zum

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