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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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diese Zeit, überhaupt kann es für die Zettel völlig harmlose Erklärungen geben. Was für eine hirnlos eifersüchtige Ehefrau ist sie doch, sich wegen zweier Parkscheine weiß der Henker was einzubilden!
    Dann sieht sie noch im Aschenbecher nach, natürlich ist dort keine Kippe mit Lippenstiftspuren, es ist überhaupt keine Kippe darin, keiner von ihnen raucht, Bettina ihres Wissens übrigens auch nicht, im Aschenbecher liegt nur ein kleines weißes Plastikstück, wie von einer Verpackung abgerissen, Birgit setzt ihre Lesebrille auf, das weiße Plastik ist innen beschichtet. Sie tastet nach dem klebrigen Zeug.
    Das Plastik war feucht beschichtet.
    Angeekelt schleudert sie es von sich. Ihre Hand tastet nach dem Dach des Peugeot, mit zitternden Knien lässt sie sich seitlich auf den Fahrersitz gleiten.
    Nichts denken. Alles wegschieben. Nichts heranlassen.
    »Is Ihnen nich gut?«
    Opelbubi steht vor ihr. Goldkettchen um den Hals, tätowierte Unterarme.
    Birgit öffnet die Augen und betrachtet das Goldkettchen. »Danke«, bringt sie heraus. »Alles okay.« Sie steht auf, sieht suchend um sich, bis sie das weiße Plastikstück auf dem Boden entdeckt, bückt sich und nimmt es auf und steckt es zu den beiden Parkscheinen. Dann wirft sie eine Mark in den Automaten ein und beginnt, den Wagen mit dem Staubsauger zu säubern, immerhin ist es das Mindeste, was mit dem Wagen jetzt getan werden muss.
    Goldkettchen kehrt zu seinem Opel zurück.
    Mechanisch legt sie die Fußmatten in den Wagen zurück, mechanisch fährt sie den Peugeot in die Waschstraße, dazu ist sie doch hergekommen, oder nicht? Ein Mann im Overall kommt zu ihr und kassiert und gibt auf zwanzig Mark zehn zurück, am liebsten hätte sie dem Overall die zehn Mark gelassen und ihm gesagt, nehmen Sie einen Schlauch und spritzen damit den Wagen von innen aus, so gründlich und fest es irgend geht ...

    Nein, Bettina nimmt nicht die Pille.
    Birgit legt den Gang ein und steuert den Wagen auf die Rollbänder der Waschstraße.
    Was mag sich Hubert gedacht haben, als sie . . . Klar doch. Du blöde Kuh, wenn du wüsstest.
    Irgendjemand beginnt zu schreien. Wild fuchtelt der Mann im Overall mit den Händen vor der schaumbedeckten Frontscheibe. Dann versteht sie es.
    »Links, links einschlagen!«
    Birgit kurbelt am Steuer, der Peugeot rumpelt gegen die Gleitschiene, sie steuert zurück, durch den Schaum hindurch sind die Handzeichen fast gar nicht zu erkennen, immer fährt sie die Waschstraße falsch an, überhaupt hasst sie Waschstraßen. Ruckelnd wird der Peugeot von den beiden Rollbändern mitgetragen, Wasser trieft außen die Scheiben herab, wascht ab, wascht alles ab! Kreiselnd senken sich die Bürsten. Birgit lehnt sich zurück und schließt die Augen.
    Hubert, das wirst du mir büßen.
     
    Breitflächiges, bäuerliches Gesicht. Großporig. Stirnglatze. Die Augenbrauen buschig. Der Ausdruck um den Mund: abwesend. Entspannt. Keine Tabletten mehr. Das schwerblütige Leben ausgestanden.
    Unsinn. Es ist der Rigor mortis .
    »Sie erkennen ihn?« Faltenhauser. Der Kollege, der ihn am Heidelberger Hauptbahnhof abgeholt hat. Behutsam. Unauffällig.
    »Ja«, sagt Berndorf einfältig. Er nickt zum Aufseher, einem braunhäutigen Mann mit ruhigen dunklen Augen, und der deckt den Toten sorgsam wieder zu.
    Berndorf und Faltenhauser verlassen den klimagekühlten Raum und gehen durch die Korridore zum Besucherparkplatz hinaus in die Hitze. Fern im Westen, über dem Dunst von Mannheim und Ludwigshafen, baut sich eine Wolkenwand auf.
    Berndorf hat sich sein Jackett ausgezogen und trägt es über
dem Arm. Mit der freien Hand nestelt er an seiner roten Krawatte und zieht sie aus dem Kragen. Dann stopft er sie in eine Jackentasche.
    Faltenhauser hat bei der Herfahrt keinen Parkplatz im Schatten gefunden. Jetzt öffnet er alle vier Türen, um den aufgeheizten Dienstwagen etwas abkühlen zu lassen.
    »Inzwischen haben diese Autos doch alle Klimaanlagen«, sagt er anklagend. »Ich weiß nicht, wie sie es fertig bringen, dass in unseren Blecheimern niemals welche sind.«
    »Sie werden einen Aufpreis zahlen, dass sie wieder ausgebaut werden. Klimaanlagen gibt es erst ab Besoldungsstufe B 3.«
    Faltenhauser nickt. »Da hätt’ ich allerdings auch draufkommen müssen.« Sein Gesichtsausdruck wird wieder dienstlich. »Wollen Sie noch seine Wohnung sehen?«
    »Wenn Sie noch so viel Zeit haben.« Red nicht so. So viel Zeit muss sein. Wilhelm Troppau war immerhin Kollege.
    Leider.
    Sie steigen

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