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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Hochzeitstag, sondern als er nimmer kam, legte sie es weg und weinte um ihn und vergaß ihn nie. Unterdessen wurde die Stadt Lissabon in Portugal durch ein Erdbeben zerstört, und der Siebenjährige Krieg ging vorüber, und Kaiser Franz der Erste starb, und der Jesuitenorden wurde aufgehoben . . .
    ». . . sach mal, kannste mir ein’ Gefallen tun? Ich hab nachher eine Klausur bei Gallenheimer, er reitet gerade auf der mittelbaren Täterschaft herum, ich weiß nicht, was ich mit diesem konstruierten Zeug soll, klar, wenn ich einen Depp mit einer Knarre losschicke und der legt Leute um, bin ich dran, aber wann passiert so etwas, außerdem kann ich mit meinem Kopf keine Klausur schreiben ...«
    Berndorf lässt das Buch sinken. Das Handy ist die Narrenpritsche unserer Zivilisation. Lärmend teilt es mit, dass die Leute keinen Anstand und keinen Verstand mehr haben. Die elektronische Nabelschnur für eine Generation, die keinen Augenblick mehr allein sein kann.
    Gleichmäßig und einschläfernd schottelt der D-Zug über die Gleise, grau zerbröselt Zeit vor seinen Augen, warum wird er so müde, er hat gestern doch gar nicht . . .?

    . . . und Polen geteilt, und die Kaiserin Maria Theresia starb, und der Struensee wurde hingerichtet, Amerika wurde frei, und die vereinigte französische und spanische Macht konnte Gibraltar nicht erobern . . .
    Wieder lässt er den Band sinken. Waldhänge und Felder ziehen vorüber, As time goes by, die Tagesschau flimmert schwarzweiß, vor dem Denkmal des Warschauer Aufstandes fällt Willy in die Knie, so nicht, sagt Rainer Barzel, Wienand schleppt seine Aktentasche durch dunkle Flure, kauft ihr vier, kauf ich fünf, gerne trinkt Jule Steiner noch einen Schoppen, die Segelohren haben nichts dagegen, dass Guillaume mit nach Norwegen fährt, Onkel Herbert besorgt schon mal einen Strauß roter Rosen . . .
    Irgendetwas jault im Abteil, wie es sonst nur ein vergessener Wecker in der Reisetasche fertig bringt. Der junge Mann blickt strafend aus seinen roten Schnapsaugen.
    Berndorf sieht suchend um sich. Dann fällt es ihm ein. Es ist kein Wecker, und es ist auch nicht in der Reisetasche. Es ist sein Handy, und es steckt in seiner Jackentasche, und während er es herauszuziehen versucht, jault das Ding weiter und verhakt sich mit seiner Stummelantenne im Taschenfutter und stülpt es um. Schließlich hat er es herausgefingert und meldet sich.
    Es ist Barbara. Er hätte es sich denken können.
    »Darf ich dir gratulieren? Hast du’s überstanden?«
    »Jein«, antwortet Berndorf lahm.
    »Ihr feiert noch, oder was ist das für ein Geräusch?«
    »Ja. Nein. Die Kollegen feiern, hoffe ich doch. Das Geräusch ist der Zug. Ich sitz im Zug nach Heidelberg. Komischerweise ist es ein D-Zug. Ich wusste gar nicht, dass es den noch gibt.«
    »Wo, bitte, bist du?« Das bitte klingt eisgekühlt.
    »Im Zug nach Heidelberg. Es hat da einen ...« Er zögert und sieht sein Gegenüber an.
    Der junge Mann hat zu telefonieren aufgehört und sich die Kopfhörer eines Walkmans aufgesetzt. »Ein Todesfall. Um
mit Johann Peter Hebel zu sprechen, es hat sich einer mit des Seilers Tochter kopuliert. Eine späte Verbindung, aber sie hat gehalten, was sie halten sollte.«
    »Ein Todesfall, wie originell. Ich denke, das hat dich nichts mehr anzugehen?« Jetzt ist der ganze Satz tiefgefroren.
    »Dieser Fall schon. Er hat eine Vorgeschichte. Du kennst sie.« Der Zug nimmt Fahrt auf.
    »Ich versteh dich nicht. Wen oder was kenne ich?«
    Das Abteil verdunkelt sich. Der Zug taucht in einen Tunnel. Die Verbindung bricht ab.
    Berndorf schaltet das Handy aus.
     
    »Das sind doch alles Klischees«, sagt Eisholm und klopft aus einem Plastikdöschen zwei Süßstofftabletten in seinen Kaffee. »Diese Schauergeschichten von den Immobilienhaien, die die Gasleitungen ansägen lassen, um ihre Mieter in die Luft zu sprengen, ich bitte Sie! So etwas mag es früher vielleicht einmal gegeben haben . . . Heute wäre das viel zu plump.«
    »Und was gilt in dieser Branche als elegant? Explosionen, mit dem Handy ferngezündet?« Missvergnügt betrachtet Franziska ihr Gegenüber. Sie hätte ihn nicht sollen einladen. Das hurtige Gerede dieser Leute ist wie ihr Kaffee. Zu viel Süßstoff. »Ich bin Strafverteidiger«, sagt der Anwalt, »Mietsachen sind eine andere Baustelle. Aber schauen Sie doch, wie das hier gelaufen ist. Ein altes baufälliges Haus, der Besitzer – Eigentum verpflichtet! – will abreißen lassen und einen Neubau hinstellen.

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