Die schwarzen Raender der Glut
in den Wagen, noch immer ist die Hitze nahezu unerträglich. Faltenhauser startet und kann, weil er den Wagen rückwärts eingeparkt hat, sofort losfahren. Sie haben die Fenster heruntergekurbelt, der Fahrtwind bringt Erfrischung. Aber es ist später Nachmittag, und auf der Zufahrt zur Neckarbrücke geraten sie in den Stau.
»Ich hab mir seine Personalakten angesehen«, beginnt Faltenhauser vorsichtig. »Diese Sache damals.«
Berndorf schweigt. Ja, diese Sache damals.
»Ein IRA-Terrorist, oder habe ich da was falsch verstanden?«
»Ich dachte, Sie haben die Akten gesehen?« Berndorfs Stimme wird unwirsch. »Offenbar meinen Sie den Mann, der damals erschossen worden ist. Brian O’Rourke. Ein Ire, allerdings. Hochgefährlich, diese Leute.«
Faltenhauser sieht unsicher zu ihm herüber. Die Blechschlange vor ihm kriecht um vier Wagenlängen auf die Ampel zu.
»Ja, ein Immobilienkaufmann. Taucht einfach hier auf und will in Mannheim eine Kneipe kaufen«, fährt Berndorf fort. »Im Auftrag einer Dubliner Brauerei. Damals kamen Irland und die irischen Pubs gerade sehr in Mode. A pint of stout , und dazu My bonny is over the ocean . . . Ich weiß nicht, was sie dann auf seiner Beerdigung gespielt haben.«
Faltenhauser runzelt die Stirn. »Sie haben aber doch damals diesen Einsatz geleitet?«
»Ja, Kollege«, antwortet Berndorf, »ich habe damals diesen Einsatz geleitet. Aber zur Beerdigung war ich nicht eingeladen.«
Faltenhauser greift zur Ablage und holt das mobile Blaulicht hervor und setzt es aufs Wagendach. »Wir kommen da sonst nie mehr hin.«
Noch immer ist es drückend heiß, aber die Sonne ist hinter einer machtvoll aufgetürmten Wolkenwand verschwunden. Franziska steht in ihrem Dachgarten und betrachtet die Dächer um sie herum und den Himmel. Efeu, Glyzinie und Geißbart müssen nicht gegossen werden, auch nicht die Töpfe mit den anderen Pflanzen. Dafür wird das Gewitter sorgen.
Am Nachmittag war sie noch in einer zweiten Verhandlung gewesen, bei einem sich ebenfalls seit Wochen hinziehenden Strafverfahren gegen zwei Direktoren einer regionalen Sparkasse, die mächtig in den Neuen Markt hatten einsteigen wollen und dabei noch mächtiger mit einigen hundert Millionen Mark Miesen bauchgelandet waren. An diesem Tag hätte der Vorsitzende des Verwaltungsrates aussagen sollen, ein Kommunalpolitiker, der sich jedoch an nichts erinnern konnte, für nichts zuständig gewesen war und in nichts eingeweiht. Mit einigen Anrufen hatte Franziska die Höhe der Aufwandsentschädigung herausgefunden, die der Kommunalpolitiker fürs Nichtwissen, Nichterinnern und Nichtstun bezog; es war – zusätzlich zu seinem Gehalt – ein Mehrfaches dessen, was sie selbst in einem guten Monat verdiente.
Sie hatte rasch ein kleines Feature darüber geschrieben,
aufs Wochenende hin war es noch schwieriger als sonst, eine größere Geschichte unterzubringen. Immerhin wird sie wenigstens diesen Beitrag ganz gut verkaufen können. Hinter ihr klingelt das Telefon. Sie geht in ihre Wohnung zurück und meldet sich. Es ist die Freundin aus der Rundschau , die sie bisher nicht erreicht hatte.
Wie immer, hat die Freundin schrecklichen Stress, aber wundervolle Projekte in Vorbereitung, Franziska müsse unbedingt wieder einmal kommen, und der Katze gehe es gut, »nur wird sie so entsetzlich dick, sie wird doch keine Jungen kriegen – was mach ich im Westend mit einem Wurf junger Katzen?«
Über die Helios Heimstatt GmbH & Co. KG weiß sie nichts, »es tauchen auch immer wieder neue Namen auf, aber ich frag mal unter den Kollegen von den Stadtteilausgaben nach, die sind näher dran«. Nein, größere Geschichten habe die Rundschau über dieses Thema nicht mehr gebracht. »Es ist nicht mehr p.c. , verstehst du?«
Franziska versteht nicht.
»Weißt du, diese ganzen Geschichten mit der Heizung, die mitten im Winter abgestellt wird, oder dem Treppenhaus, das ein paar Monate lang umgebaut wird – die kannst du alle vergessen, das machen sie vielleicht noch in der Pampa, nicht hier. Wenn hier im Westend oder in Bockenheim einer ein Wohnhaus leer kriegen will, dann muss er nur einen Mieter rauskaufen. Das geht immer. Und dann vermietet er diese eine Wohnung an eine Roma-Familie, das ist vom Magistrat sogar inzwischen vorgeschrieben, zehn Prozent der Wohnungen sollen an randständige Familien vergeben werden, auch so ein Begriff fürs Wörterbuch des Unmenschen . . . Und diese Roma sind ja ganz reizende Leute und können ganz
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