Die schwarzen Raender der Glut
Für die Bohnen, wissen Sie. Es gibt kein besseres Mittel gegen Schnecken.«
Professor Schatte bedauert, dass solche Kenntnisse zunehmend in Vergessenheit gerieten: »Und die internationalen Konzerne reiben sich die Hände.« Damit leitet er über zu einem Exkurs über das Konsortium, das die Weltmarktpreise für Kakao kontrolliert. »Es wird Sie nicht überraschen, gnädige Frau, dass dieses Konsortium jüdisch beherrscht ist.«
Da haben sich zwei gefunden, denkt Grassl.
»Sie haben darüber gearbeitet?«, fragt Gerolf Zundt.
»Früher einmal«, antwortet Schatte. »Mein Beitrag darüber würde Ihnen aber kaum gefallen haben. Ich neige dazu, die Dinge sehr deutlich zu artikulieren. In Zeiten der ideologischen Nebelkerzen ist das nötig.«
»Unterschätzen Sie uns nicht«, meint Margarethe Zundt, deren Wangen sich leicht gerötet haben. »Mein Vater hat immer gesagt, in unserem Hause reden wir deutsch, also deutlich.«
Schatte wendet sich wieder ihr zu. »Ich habe das richtig eingeordnet – Ihr Herr Vater war Johannes Grünheim, der Gründer der Akademie hier?«
Fast unmerklich richtet sich Margarethe Zundt auf. »Die Akademie war sein Lebenswerk. Mein Gatte und ich sind sehr stolz, es weitergeführt zu haben.«
»Er hat doch ursprünglich ein«, Schatte zögert kurz, »ein Landschulheim geleitet. War das bereits hier auf diesem Gut?«
Margarethe Zundt bestätigt mit einem knappen Nicken.
»Hat er 1945 keine Probleme mit der französischen Besatzung bekommen?«, will Schatte wissen.
Dieser Besucher fragt sehr unverblümt, denkt Grassl. Wieder wirft er einen Blick auf Zundt. Unversehens haben sich dessen Gesichtsfalten zu taktvoller Zurückhaltung geordnet.
»Nein«, antwortet die Hohe Frawe knapp. »Warum sollte er?«
»Wissen Sie«, schaltet sich Gerolf Zundt ein, »als die französischen Soldaten hier mit ihren Panzerspähwagen vorfuhren, traten die Zöglinge draußen auf dem Hof an und sangen zur Begrüßung die Marseillaise. Die sprachen ja alle Französisch.«
»Und auf dem Stuhl, auf dem Sie jetzt sitzen, saß damals der französische Colonel, ein kleiner Mann mit gelber Gesichtsfarbe, und trank mit meinem Vater dessen letzten Bohnenkaffee.« Auch Margarethe Zundt hat wieder ins Wort gefunden. »Wir mussten dann das Gut trotzdem verlassen«, fährt sie fort und wirft einen wehmütigen Blick auf ihre Stangenbohnen. »In diesen düsteren Jahren nach 1945 war ja niemand vor Anfeindungen gefeit.«
Schatte nickt Anteil nehmend. »Aber Ihr Herr Vater hat das Gut zurückbekommen?«
»Das war 1952, nach der Zeit der Entrechtung«, bestätigt Margarethe Zundt. »Sie glauben nicht, in welchem Zustand wir das Haus vorgefunden haben. Aber an Pfingsten 1953 durften wir hier das erste Treffen heimattreuer Schriftsteller und Dichter erleben . . .« Sie greift nach der Serviette und tupft sich einen imaginären Krümel von der Lippe.
»Damals ist auch das Odilien-Hilfswerk ins Leben gerufen worden?«, fragt Schatte.
Grassl beugt sich über seinen Teller mit den anderthalb Dinkelkeksen. Am Tisch breitet sich Schweigen aus. Es ist schwül geworden, denkt Grassl. Und drückend.
Gerolf Zundt räuspert sich. »In der Tat«, sagt er. »Die Idee einer betreuenden Hilfe für das unterdrückte deutsche Sprachgut im Elsass ist beim Pfingsttreffen 1953 geboren worden. Aber von Anfang an war allen Mitwirkenden klar, dass diese Hilfe nur im Verborgenen ihre heilende Kraft entfalten kann.«
»Tue Gutes, und rede nicht darüber, hat mein Vater immer gesagt.« Margarethe Zundt greift nach der Kanne. »Darf ich Ihnen noch eine Tasse einschenken?«
Kurz vor Ladenschluss und in aller Eile hat sich Berndorf in dem Kaufhaus am Bismarckplatz einen Pyjama gekauft und zwei Hemden, dazu zwei Garnituren Unterwäsche, einen Nassrasierer und eine Zahnbürste und schließlich eine Sporttasche, in die er alles hineinstopfen kann.
Aber warum bleibt er eigentlich? Er weiß es selbst nicht. Es gibt zum Fall des Selbstmörders Troppau nichts zu ermitteln, und wenn, wäre es Faltenhausers Sache gewesen. Nicht die seine. Er ist außen vor. Schließlich hat er genau das auch gewollt. Niemals mehr Polizeiarbeit.
Doch für den nächsten Vormittag ist er mit Faltenhauser verabredet. Die Korrespondenz des Wilhelm Troppau durchsehen. Es gibt Lustigeres. Ein Glück, dass der Verblichene allem Anschein nach einen lakonischen Stil gepflogen hat. Noch immer steht Berndorf vor dem Kaufhaus. Unversehens ist es
dunkel geworden und der Himmel
Weitere Kostenlose Bücher